Expo:Mit letzter Energie

Lesezeit: 3 min

Vor einem Jahr schien die Weltausstellung fast am Ende zu sein. Korruption und Schlendrian gefährdeten alles. Doch das Land raffte sich auf.

Von Oliver Meiler

Die Wetterprognose ist trüb, aber nicht ungewöhnlich für Mailand: Es soll regnen am 1. Mai, wenn die Tore der Weltausstellung öffnen, der Expo 2015. Für jene Darbietungen, die im Freien geplant sind, wäre das natürlich schade. Doch nach all den politischen und juristischen Komplikationen, die dieser Großveranstaltung in den letzten Jahren vorausgegangen sind, ist meteorologisches Ungemach zur Eröffnung von nachgerade ignorierenswerter Bedeutung.

Bis vor wenigen Wochen ging die Sorge um, dass ein beträchtlicher Teil der Bauarbeiten nicht rechtzeitig fertig würde. Nur ein Drittel der Projekte, die auf dem Boden einer ehemaligen Erdölraffinerie im Norden der Stadt entstanden, schien bereit zu sein. Von 54 Länderpavillons waren erst 30 vollendet. Am meisten Rückstand hatte ausgerechnet der Palazzo Italia, der Pavillon des Gastgebers. Nun, ganz fertig wird er nicht sein. Zum Schluss pappte man da und dort noch kosmetische Pflaster hin, damit es nicht so auffällt. Doch zum allseits düster erwarteten Flop bei der Eröffnung kommt es nicht. Dafür sorgten zuletzt 9000 Bauarbeiter, doppelt so viele wie im vergangenen Jahr, und ein 24-Stunden-Schichtplan. Damit der Elan auch nicht erlahmt, besuchte unlängst Italiens Premier Matteo Renzi die Arbeiter und beschwor mit viel Pathos "Stolz und Ehre Italiens", die da auf dem Spiel stünden.

20 Millionen Besucher erhofft man sich - und ein paar Milliarden Euro an Umsatz

In Mailand, in ganz Italien erhofft man sich von der Expo, dass sie dem allmählich wieder einsetzenden Wirtschaftswachstum zusätzlich Dynamik verschaffe. 20 Millionen Besucher werden erwartet in den kommenden sechs Monaten, acht Millionen von ihnen aus dem Ausland, eine Million allein aus China. Sie werden für einige Milliarden Euro konsumieren. Zehn Millionen Eintrittskarten sollen bereits verkauft sein - ein Rekord, wie die Organisatoren der Expo versichern. Das Thema der Ausstellung "Feeding the planet, Energy for Life" wirkt als zusätzlicher Anreiz: Es kreist um Essen und Ernährung, um deren Zukunft und Sicherheit, um Nachhaltigkeit und Biovielfalt. Italien zählt sich zum Kreis der Länder mit besonderer Expertise. Vieles in der Expo wurde didaktisch so inszeniert, dass es auch Kinder anspricht.

Als Mailand vor acht Jahren den Zuschlag für die Veranstaltung erhielt, zum ersten Mal nach 1906, war die Freude zunächst groß, ausgelassen schier. Mailands damalige Bürgermeisterin Letizia Moratti, eine rechtsbürgerliche Politikerin aus der politischen Familie Silvio Berlusconis, ließ sich im Takt von Marschmusik und Majoretten feiern, schloss dafür die Innenstadt für den Verkehr. Eine Viertelmillion Mailänder klatschten ihr zu. Doch die Euphorie verpuffte rasch. Die Krise setzte ein, so manche große Bauprojekte mussten aufgeschoben oder verkleinert werden. Und dort, wo gebaut wurde, ächzten die Mailänder unter Umleitungen und zusätzlichen Strapazen. Drei Jahre nach dem Triumph verlor Moratti die Wahlen, die sie wohl als unverlierbar gewähnt hatte.

Der wahre Dämpfer für die Expo und für deren Image in der gesamtitalienischen Wahrnehmung sollte aber erst noch kommen. 2014, ein Jahr vor der Eröffnung, verhaftete die Polizei eine Reihe von Politikern und Unternehmern, die sich bei der Aufteilung der Baumandate auf unlautere Weise abgesprochen und bereichert haben sollen. Auch ein hochrangiges Mitglied des Organisationskomitees der Expo geriet in den Ruch der Korruption. Die Ermittler fanden heraus, dass etliche Bauunternehmen, die auf dem Gelände arbeiten ließen, in Wahrheit Strohfirmen der Mafia waren. Sie wurden ausgeschlossen. Man glaubt, alle aufgespürt zu haben. Aber ganz sicher ist man sich nicht.

Viele sehen die Expo als Schau der Eitelkeiten - und wollen protestieren

Nachdem sie sich lange den Skandalen gewidmet hatten, berichten die italienischen Zeitungen nun in großen Dossiers über die Thematik der Weltausstellung und nähren damit die Erwartungen des Publikums. Doch keineswegs alle Italiener freuen sich auf die Expo. Es wird in den nächsten Tagen lautstark Protest geben, organisiert vom Kollektiv "No Expo". Dessen Mitgliedern sind die Multinationalen der Ernährungsindustrie ein Gräuel, die in Mailand als Sponsoren auftreten und nur leidlich zu den propagierten Idealen passen. Sie finden außerdem, dass der Staat für eine Schau der Eitelkeiten Milliarden verschwendet, dabei gäbe es in der Krise wichtigere Prioritäten. Tatsächlich sollen von den vielen Bauten nur zwei nach dem Ende der Expo fortbestehen.

Einige Tausend Demonstranten erwartet das italienische Innenministerium für den Eröffnungstag. Auch aus Deutschland, Spanien und Griechenland. Der 1. Mai, Tag der Arbeit, erscheint vielen linken Gruppen, Autonomen und Anarchisten als zusätzlicher Antrieb für ihren Protest gegen Spekulanten und Großkapitalisten. Das Polizeiaufgebot wird riesig sein. Man fürchtet den Auftritt der Vermummten vom Schwarzen Block. Aber vielleicht schreckt sie der Regen ab.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: