Explosionen in Reyhanli:Spur der Bombenanschläge führt angeblich nach Syrien

Autobomben in Reyhanli

Bild der Zerstörung: nach der Bombenexplosion im türkischen Reyhanli

(Foto: dpa)

Die Drahtzieher der Anschläge in der türkischen Grenzstadt Reyhanli sollen identifiziert sein - die Regierung in Ankara betrachtet eine Verbindung zum Assad-Regime als erwiesen. Zwei Autobomben haben mehr als 40 Menschen getötet und 140 verletzt. Damit greift der syrische Bürgerkrieg auf türkisches Staatsgebiet über.

Die Türkei macht die syrische Führung unter Präsident Baschar al-Assad für die Anschläge in der türkischen Grenzstadt Reyhanli mit mehr als 40 Toten verantwortlich. "Die Leute und die Organisation dahinter sind identifiziert", sagte der türkische Innenminister Muammer Güler am Samstag laut der Webseite des Fernsehsenders TRT. "Es ist erwiesen, dass sie Verbindungen zu Organisationen haben, die vom syrischen Regime und seinen Geheimdiensten unterstützt werden."

Vize-Regierungschef Besir Atalay sagte demnach, die Attentäter seien für die Anschläge nicht direkt aus Syrien gekommen, sondern hätten sich schon in der Türkei befunden. Atalays Angaben zufolge starben mindestens 43 Menschen, als am Mittag zwei mit Sprengstoff präparierte Fahrzeuge vor dem Rathaus und dem Postgebäude der 60.000-Einwohner-Stadt explodierten. Rund hundert Menschen wurden verletzt.

Reyhanli liegt in der südlichen Hatay-Provinz, wo Tausende syrische Flüchtlinge Zuflucht gesucht haben. Der Anschlag schürt Sorgen, dass der syrische Bürgerkrieg auf türkisches Staatsgebiet übergreift. "Wir wissen, dass die Menschen, die nach Hatay flüchten, zum Ziel für das syrische Regime geworden sind", sagte Arinc im türkischen Fernsehen.

Die syrische Opposition hat die Anschläge in Reyhanli mit scharfen Worten verurteilt. "Wer diese verabscheuungswürdigen Terroranschläge verübt hat, will damit die türkische Regierung, die dem syrischen Volk beisteht, für ihre ehrenhafte Haltung bestrafen", erklärte die Nationale Syrische Koalition in Istanbul. Ziel des Terrors sei es offensichtlich, einen Keil zwischen Syrer und Türken zu treiben. Syrische Revolutionsaktivisten warnten vor möglichen Übergriffen auf Syrer im Grenzgebiet. Sie riefen über den Kurznachrichtendienst Twitter alle in Reyhanli lebenden Flüchtlinge dazu auf, ihre Häuser nicht zu verlassen.

Zwei Autobomben waren am Mittag explodiert

Innenminister Muammer Güler räumte laut NTV ein, dass die Opferzahlen noch steigen könnten. Mindestens 29 Verletzte befinden sich demnach in ernstem Zustand - insgesamt wurden 140 Personen verletzt. Rettungskräfte suchten in Gebäudetrümmern nach möglichen Überlebenden.

Zwei mit Sprengstoff präparierte Fahrzeuge waren gegen 13.55 Uhr Ortszeit (12.55 Uhr MESZ) vor dem Rathaus und dem Postgebäude der 60.000-Einwohner-Stadt explodiert, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Örtlichen Medien zufolge wurden mehrere Fahrzeuge völlig zerstört, in umliegenden Gebieten sei der Strom ausgefallen.

Mehrere Stunden nach den Anschlägen im türkischen Reyhanli hat eine dritte Explosion die Stadt an der Grenze zu Syrien erschüttert. Es habe sich um die Explosion eines Auto-Tanks gehandelt, sagte Innenminister Muammer Güler dem türkischen Fernsehsender NTV am Abend. Die Explosion habe aber nichts mit den Anschlägen vom Mittag zu tun, sagte er.

Außenminister Ahmet Davutoglu sagte in Berlin, die Türkei werde eine Bedrohung ihres Friedens nicht zulassen. "Niemand sollte versuchen, die Macht der Türkei zu testen. Unsere Sicherheitskräfte werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen." Es sei kein Zufall, dass sich der Anschlag genau zu dem Zeitpunkt ereigne, zu dem sich die diplomatischen Bemühungen für ein Ende des Syrien-Konflikts intensivierten.

Die Türkei beherbergt 300.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge

Die Türkei ist ein erklärter Gegner von Syriens Präsident Baschar al-Assad. Das Land beherbergt 300.000 Bürgerkriegsflüchtlinge, aber auch Rebellen-Kämpfer. In der abgelaufenen Woche hatten sich die Aussichten auf eine diplomatische Lösung verbessert. Russland und die USA kündigten eine gemeinsame Initiative für eine Friedenskonferenz an. Allerdings erklärte ein Vertreter der russischen Regierung am Samstag, es gebe Uneinigkeit darüber, wer die Opposition bei der Konferenz vertreten solle. Es sei fraglich, ob ein solches Treffen in diesem Monat zustande komme.

Die Kämpfe in Syrien haben wiederholt auf türkisches Staatsgebiet übergegriffen. Im Februar kamen bei der Explosion eines Minibusses nahe Reyhanli 14 Menschen ums Leben. Die syrische Opposition vermutete einen Anschlag auf eine Oppositionsdelegation. Im Oktober wurden fünf türkische Zivilisten getötet, als eine Granate aus Syrien in ein Haus einschlug. Damals erwiderte das türkische Militär das Feuer.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte die Anschläge. "In dieser schweren Stunde sind wir an der Seite der Türkei", erklärte er am Abend in Berlin. Auch sein französischer Kollege Laurent Fabius verurteilte die Anschläge und erklärte in Paris seine "Solidarität mit den Behörden und dem türkischen Volk".

In Kahramanmaras, knapp 200 Kilometer nördlich von Reyhnali, sind etwa 300 Soldaten der Bundeswehr stationiert. Sie gehören zu einer Nato-Mission mit Patriot-Raketenabwehr-Systemen, die das Bündnismitglied Türkei vor möglichen Angriffen aus Syrien schützen soll.

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