Experte zur Bundeswehrreform:"Für Kritik ist es noch zu früh"

Er verteidigt den Verteidigungsminister: Bundeswehr-Experte Berthold Meyer erklärt im Interview mit Süddeutsche.de, warum es unmöglich ist, die Bundeswehr in anderthalb Jahren zu reformieren. Er weiß, aus welchen Gründen das Projekt Euro-Hawk-Drohne scheitern musste - und warum so viele Freiwillige ihren Dienst abbrechen.

Von Eva Riedmann

SZ.de: Verteidigungsminister de Maizière wird derzeit wegen des gestoppten Drohnenprojekts heftig kritisiert. Warum braucht die Bundeswehr eine Euro-Hawk-Drohne?

Meyer: Die Drohne wurde der Bundeswehr vor vielen Jahren empfohlen. Und zwar als ein Flugzeug mit Aufklärungstechnik, das in großer Höhe fliegt und deshalb nicht angegriffen werden kann. Es kann dort Fotos machen und Gespräche abhören. Mit einem normalen Flugzeug könnte die Bundeswehr in dieser Höhe nicht fliegen. Die Anschaffung der Drohne wurde noch unter Rot-Grün beschlossen. Die aktuelle Regierung hat damit gar nichts zu tun. Damals haben alle Parteien zugestimmt, außer der Linken. Man war wohl etwas zu ehrgeizig.

Warum werden Euro-Hawk-Drohnen in Deutschland nicht zugelassen?

Die Amerikaner haben die Drohne geliefert, den zugehörigen Beipackzettel aber nicht - aus Angst, die Anleitung käme in die falschen Hände. Ohne diesen Beipackzettel können die zuständigen Stellen nicht ausschließen, dass die Drohne beim Steigen oder beim Sinken mit anderen Flugzeugen zusammenstößt. Der europäische Luftraum ist zu dicht für eine Drohne.

Hätte man das nicht vorher wissen können?

Die Amerikaner geben selten ihre geheimen Baupläne heraus. Man hätte das aber vorher ahnen können. Schließlich war es nicht die erste Zusammenarbeit. Die Verantwortlichen von damals haben den Amerikanern leider nicht klar gemacht: Wir brauchen alle Informationen über dieses Flugzeug.

Ein anderes Problem der Bundeswehr betrifft nicht die Technik, sondern das Personal: Ein Viertel aller freiwillig Wehrdienstleistenden schmeißt nach sechs Monaten hin. Warum ist die Armee so unattraktiv?

Von etwa 30.000 Soldaten, die sich für den Wehrdienst gemeldet haben, sind laut Verteidigungsministerium nur 5000 bis 6000 gegangen oder zum Teil gegangen worden. Die junge Generation ist unruhiger als erwartet. Ich sehe das auch bei meinen Studenten: Die schnuppern in alles einmal hinein und wenn sich etwas besseres bietet, sind sie weg. Noch schlimmer ist aber, dass Familie und Beruf bei der Bundeswehr nur schwer zu vereinbaren sind.

Was tut die Bundeswehr für das Ansehen des Soldaten-Berufs?

Sie versucht, ihre Soldaten so gut auszubilden, dass sie auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen angestellt werden. In vielen Fällen klappt das bereits. Zahlreiche Unternehmen freuen sich über unsere Absolventen. Die gelten als sehr diszipliniert.

Thomas de Maizière hat die Bundeswehrreform einen "tiefgreifenden Umbruch" genannt. Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, spricht von einer "Mogelpackung". Wer hat Recht?

Wenn Herr Arnold über einen Zeitraum von drei Jahren spricht, vergisst er, dass de Maizière das Verteidigungsministerium erst 2011 übernommen hat. Damals hat de Maizière gesagt, mit der Reformruine von Guttenberg könne er nicht sofort loslegen, sondern müsse alles noch einmal genau überprüfen. Das braucht Zeit. Bei so einer großen Institution wie der Bundeswehr kann man nicht erwarten, dass sie sich in eineinhalb Jahren komplett verändert.

Sie sind also zufrieden mit dem, was bisher geschah?

Nein, das bin ich nicht. Auch de Maizière ist damit nicht zufrieden. Deshalb sitze ich zwischen den Stühlen. De Maizière hat es zum allergrößten Teil mit Beamten zu tun, die er nicht entlassen kann und die in anderen Behörden untergebracht werden müssen. Das bringt keine Einsparungen. Trotzdem: Für ein negatives Urteil ist es noch zu früh. Da sollte man bis nächstes Jahr warten. Wenn im Herbst die Regierung wechselt, könnte die Reform unter Umständen wieder komplett umgeworfen werden.

Was muss der Verteidigungsminister besser machen?

Solange der Wahlkampf läuft, kann de Maizière machen, was er will. Bis zur Wahl wird ihn die Opposition kritisieren. Das gehört in einer Demokratie eben dazu. Man darf die ganze Kritik an der Bundeswehrreform nicht überwerten. Aber das wird der Verteidigungsminister auch nicht tun.

Prof. Dr. Berthold Meyer, 68, ist Bundeswehrexperte und Honorarprofessor für Konflikt- und Friedensforschung der Universität Marburg. Er sitzt außerdem im Bundesfachausschuss für Internationale Politik der FDP.

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