Exklusiver Wahl-Thesentest:Welche Partei Ihnen wirklich nahesteht

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Das gab es so noch nie: Hunderte deutsche Abgeordnete verraten in einer Umfrage, wie sie zu kontroversen Thesen stehen - damit Sie herausfinden können, welcher Partei Sie nahestehen. Der neue Wahl-Thesentest von SZ.de macht es möglich. Die Parteizentralen zwangen uns allerdings zu einem aufwendigen Umweg.

Von Stefan Plöchinger

Wählen Sie im September eine Partei, die Ihre Überzeugungen vertritt? Oder eine, von der Sie das nur glauben?

Inmitten von Wahlkampfgetöse, Sommerloch-Gedöse und vereinzelten Debatten über politische Inhalte versuchen Wähler gerade, sich für die Entscheidungen im Bund, in Bayern und in Hessen zu orientieren. Wir wollen Ihnen das erleichtern: mit unserem neuen Wahl-Thesentest, der Ihnen einen Hinweis gibt, welche Parteienvertreter Ihnen vermutlich nahestehen. Machen Sie den Test, gleich oben - aber lesen Sie vorher, wie der Fragebogen funktioniert und wie schwierig es wegen einiger Widerstände war, Ihnen dieses Angebot überhaupt machen zu können.

Sie kennen vielleicht den Wahl-o-mat, der seit Jahren bei Landtags- und Bundestagswahlen spielerisch hilft, die Unterschiede zwischen den Programmen der Parteien zu erkennen. Wir finden ihn gut, aber er hat leider einen Nachteil. Er dreht sich vor allem um die Partei- und Wahlprogramme. Diese sind das Ergebnis zahlreicher Kompromisse.

Schwerpunkt auf ethischer Haltung der Abgeordneten

Um eine andere Grundlage für eine Wahlentscheidungshilfe zu bekommen, haben wir deshalb einen neuen Ansatz gesucht, um die Absichten der Parteien zu erforschen. Wir suchten uns als Helfer jene Leute aus, die bei der Programmkonzeption eine herausragende Rolle spielen: die Spitzenpolitiker von der Union bis zur Piratenpartei. Sie sollten uns ihre eigene Meinung sagen zu Themen, die wir für spannend halten. Dabei ging es uns explizit auch darum, mehr über die ethische Haltung herauszufinden, die hinter politischen Überzeugungen steht. Für den Leser bedeutet das: Der Wahl-Thesentest liefert Ergebnisse, die nicht auf programmgewordenen Kompromissen basieren, sondern auf persönlichen Einschätzungen und Einstellungen führender Parteivertreter.

Wir stellten eine Umfrage mit zunächst 30 Thesen zusammen. Unsere Auswahl richtete sich nach dem Prinzip: ein, zwei drängende Fragen zu jedem Ministerium oder wichtigen Politikbereich, dazu einige ethische Fragen. Jeder Spitzenpolitiker sollte diese Umfrage ausfüllen. Deren Antworten wollten wir dann auswerten, um zu erfahren: Welche Partei stimmt welcher These im Durchschnitt eher zu und welche eher nicht? Sie, unsere Leser, sollten am Ende ebenfalls zu den Thesen Stellung beziehen können - und durch einen Abgleich mit den einzelnen Politikerantworten und den Parteidurchschnitten erfahren, welcher Person und welcher Partei Sie nahestehen.

Mitte Juni kontaktierten wir telefonisch die Pressestellen von CDU, CSU, SPD, FDP, Grünen, Linken und Piraten. Wir erklärten unser Vorhaben und baten darum, die Umfrage an Mitglieder der jeweiligen Vorstände, Präsidien und anderen zentralen Gremien weiterzuleiten. Am 21. Juni schickten wir die Umfrage-E-Mail an die Pressestellen - die folgenden Wochen wurden für uns allerdings zu einer Enttäuschung in Sachen offener Demokratie. Die FDP teilte uns mit: Weil die Union nicht mitmache, werde man auch nicht mitmachen. Weder CDU noch CSU hatten uns allerdings abgesagt. Erst auf Nachfrage bestätigten deren Pressestellen, der Fragebogen sollte nicht weitergeleitet werden. Die SPD teilte höflich mit, sie bearbeite unseren Vorgang gerade. Die Grünen und die Linken erklärten sich prinzipiell zum Mitmachen bereit. So oder so: Aus all diesen Parteien erreichte uns binnen drei Wochen kein einziger ausgefüllter Fragebogen. Nur einige Politiker der Piraten machten mit. Mehrere Pressestellen drückten ihr Bedauern aus - so die Linke, die das Problem unter anderem damit erklärte, dass man zwar Antworten einzelner Vorständler hatte, aber keine halben Sachen zurückschicken habe wollen.

Aufgrund der geringen Resonanz erklärten wir den Versuch Mitte Juli für gescheitert und entschieden uns für einen anderen Ansatz.

E-Mails an 2400 Parlamentarier

In einer Großaktion besorgten wir uns die Mailadressen aller Abgeordneten in deutschen Landesparlamenten und dem Bundestag, was einige Zeit in Anspruch nahm. Die Mailadressen sind außer in Bayern und Niedersachsen unstrukturiert über Dutzende Internetseiten verteilt (von Adressen von Wahlkandidaten gar nicht zu reden). Als wir fertig waren, schrieben wir mehr als 2400 aktuelle Parlamentarier direkt an - nach dem Motto: Wenn die Parteizentralen nicht mitmachen wollen, dann vielleicht die gewählten Volksvertreter.

Uns waren die Schwächen dieses Vorgehens bewusst. Nur ein Bruchteil der Abgeordneten würde antworten; repräsentativ würde dieser wohl nicht sein; viele würden in der Sommerpause sein; und viele würden ihre Mails überhaupt nicht regelmäßig lesen. (Bei immerhin zwei Landtagsabgeordneten bekamen wir am Ende den Hinweis, ihr Posteingang sei leider voll.) Um die Schwächen abzupuffern, gaben wir den Parlamentariern bis Mitte August Zeit für ihre Antworten und schickten zwei Erinnerungen. Die zweite kam mit einer Zwischenauswertung der Ergebnisse und der Aufforderung: Wer nicht denke, dass dieses erste Meinungsbild die Haltung seiner Partei wiedergebe, solle jetzt bitte mitmachen, um die Umfrage aussagekräftiger werden zu lassen. Um keinen neuen Rückschlag zu erleiden, versprachen wir außerdem gleich eine anonyme Auswertung - in der Hoffnung, dass die Parlamentarier sich nicht abschrecken lassen.

Nun liegen die Ergebnisse und Auswertungen vor, und sie machen doch Mut in Sachen offener Demokratie. Fast 600 Abgeordnete aller Parteien haben geantwortet, also fast jeder vierte Angemailte. Sogar zwei Kandidaten hatte unsere Umfrage erreicht, die (noch) nicht in einem Parlament sitzen; sie wollten unbedingt mitmachen, und wir haben beschlossen, sie zum Dank für ihre Unterstützung drinzulassen.

Wer schon mit ähnlichen Umfrageaktionen im Internet zu tun hatte, weiß, dass eine Beteiligung von einem Viertel hoch ist. Natürlich sind die Werte trotzdem nicht repräsentativ. Dafür hätte es eine zufällige Stichprobe gebraucht statt einer Umfrage unter Freiwilligen, und gerade in den kleinen Parteien hätten nach den Gesetzen der Statistik fast alle Abgeordneten mitmachen müssen. Und doch: Wer den Test jetzt macht und die Ergebnisse ansieht, kann schnell auf die Idee kommen, dass die fast 600 Volksvertreter mit ihren Antworten einen guten Einblick in die Stimmungslage der Parteien gegeben haben.

Hinweis: Wir dokumentieren in diesem Google Doc in einem Reiter die Antwortquote für jede Partei und jede Frage. Es zeigt die Reihenfolge der Parteien (Freie Wähler und Piraten vorne, dann Grüne, Linke und SPD, schließlich FDP, CSU und CDU) und auch, dass die allermeisten Parlamentarier entgegen unseren Erwartungen sogar auf heiklere Thesen geantwortet haben - wie jene, ob sie auch mal bei Rot über die Ampel gehen. Einige Abgeordnete haben kritisch angemerkt, dass es gerade bei komplexen Themen kaum möglich ist, seine Haltung auf einer Fünfer-Skala von "Stimme absolut zu" bis "Stimme absolut nicht zu" auszudrücken. Deshalb haben wir jedem die Möglichkeit gegeben, Anmerkungen zu seiner Antwort zu machen, die wir in der Auswertung anonymisiert dokumentieren. Verzichtet haben wir nach den geschilderten Problemen indes auf eigene Fragebögen zu landespolitischen Themen für die Wahlen in Bayern und Hessen.

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