Süddeutsche Zeitung

Umweltverband:Greenpeace kritisiert Grüne

  • Greenpeace kritisiert die Grünen in einem offenen Brief für Klima-Kompromisse in den Jamaika-Sondierungen.
  • Konkret geht es um ein Enddatum für die Abschaltung der Kohlekraftwerke, das die Grünen abgeräumt hatten.
  • Der Brief könnte die Zustimmung der Grünen-Basis zu einer Jamaika-Koalition gefährden.

Von Michael Bauchmüller, Bonn

Kurz vor den entscheidenden Sondierungsgesprächen setzt ausgerechnet einer der größten Umweltverbände die Grünen unter Druck. Die Partei habe in den Sondierungen zu früh wichtige Positionen aufgegeben und rechne sich nun die Welt schön, heißt es in einem offenen Brief von Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser an die Grünen-Spitze. Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Die Grünen hatten zuletzt ein Enddatum für die Abschaltung der Kohlekraftwerke abgeräumt. Den Beitrag zur Erreichung des deutschen Klimaziels begrenzten sie auf 50 Millionen Tonnen Kohlendioxid, knapp die Hälfte jener Lücke, die sich bis 2020 abzeichnet. "Wir als Greenpeace lehnen diese schwache Position in Bezug auf den Kohleausstieg entschieden ab", heißt es nun in dem Brief. "Das nationale Klimaziel für 2020 lässt sich nicht ohne eine Reduktion der Kohleverstromung um mindestens 88 Millionen Tonnen CO₂ erreichen." Dies sei der einzige Weg, in so kurzer Zeit noch ausreichend Kohlendioxid einzusparen.

Brief könnte die Zustimmung der Grünen-Basis zu einer Jamaika-Koalition gefährden

Für die Grünen ist die Kritik gefährlich. Greenpeace gilt der Partei gemeinhin als Partner. Stellen sich große Umweltorganisationen aber gegen die Ergebnisse der Sondierung, könnte das auch die Zustimmung der Basis zu einer Koalition gefährden. Die Grünen-Sondierer hatten deshalb zuletzt versucht, dem Parteivolk mit einem Tortendiagramm darzulegen, wie sich das Klimaziel für 2020 noch erreichen lassen soll. Darin ist die Stilllegung von Kohlekraftwerken nur einer von vielen Wegen zum Klimaziel. Daneben sollen viele kleine Einzelmaßnahmen treten, von der Gebäudesanierung bis zum Schutz der Moore.

Doch nach Auffassung von Greenpeace wird das kaum zum Erfolg führen. So sei der Schutz der Moore sinnvoll - bis 2020 werde sich damit aber kaum ein nennenswerter Beitrag zum deutschen Klimaziel erreichen lassen. Das gleiche gelte für die Sanierung von Gebäuden. Auch beim Ausbau des Ökostroms und beim Klimaschutz im Verkehr rechneten sich die Grünen die Welt schön.

"Wir fordern Sie dringend dazu auf, in den Sondierungsverhandlungen einen ehrgeizigeren Vorschlag vorzulegen und durchzusetzen", appelliert der Greenpeace-Chef nun. Natürlich verlangten Verhandlungen Kompromisse. Diese dürften aber nicht zur Aufgabe von "bereits beschlossenen Zielen führen und die existenzielle Frage des Klimaschutzes untergraben", schreibt Kaiser. "Klimaschutz kennt keine Kompromisse."

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