Süddeutsche Zeitung

Christian Lindner:FDP will Konzerne höher besteuern

  • FDP-Parteichef Lindner kann sich im Fall einer Regierungsbeteiligung für international tätige Technologiekonzerne höhere Steuern vorstellen.
  • Damit korrigiert Lindner erstmals das traditionelle Image der FDP als Steuersenkungspartei.
  • Im Wahlkampf hatten die Liberalen Steuerentlastungen von jährlich bis zu 40 Milliarden Euro sowie milliardenschwere Investitionen in Aussicht gestellt.

Von Cerstin Gammelin und Mike Szymanski, Berlin

Die FDP plant im Falle einer Regierungsbeteiligung auch mit höheren Steuern, um ihre Wahlversprechen erfüllen zu können. Parteichef Christian Lindner sagte der Süddeutschen Zeitung, "übrigens kann ich mir auch Steuererhöhungen vorstellen". Lindner bezog seine Überlegungen auf international tätige Technologiekonzerne wie Apple. "Auf europäischer Ebene und im Kreis der G 20 muss deren Steuergestaltung ganz vorn auf die Tagesordnung", sagte er. Damit korrigiert Lindner erstmals das traditionelle Image der FDP als Steuersenkungspartei.

Den Schwerpunkt seiner Finanzpolitik legt Lindner gleichwohl auf Entlastungen. Ein mögliches Jamaika-Bündnis müsse sich auf eine "finanzpolitische Trendwende" verständigen, forderte der FDP-Chef. Dazu gehörten die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, die Entlastung der "Mitte der Gesellschaft von der Krankenschwester bis zum Ingenieur" bei Steuern und Sozialabgaben sowie Sonderabschreibungen für Unternehmen. In dieser Woche treffen sich CDU, CSU, Grüne und FDP erstmals in Arbeitsgruppen, um Gemeinsamkeiten auszuloten. Konkret soll es um Finanzen, Steuern und Europa gehen.

Lindner schloss neue Schulden aus

Im Wahlkampf hatten die Liberalen Steuerentlastungen von jährlich bis zu 40 Milliarden Euro sowie milliardenschwere Investitionen in Aussicht gestellt. Zusammen mit den Versprechen der möglichen Koalitionäre summieren sich die Vorhaben auf 100 Milliarden Euro. Lindner schloss neue Schulden aus, ließ aber offen, wie die Versprechen finanziert werden sollten. Ein Jamaika-Bündnis sollte "viele entlasten, aber niemanden zusätzlich belasten". Die FDP wolle den Staat effizienter machen, Subventionen streichen wie jene für Elektroautos, die Lindner für "unwirksam und sozial unausgewogen" hält. Staatsbeteiligungen an Post und Telekom will die FDP zugunsten von Investitionen ins Glasfasernetz veräußern; auch jene an der Commerzbank könne "kein Dauerzustand sein". Lindner sieht die potenziellen Koalitionäre vor "harter Arbeit am Haushalt".

Gerade in der Finanzpolitik gehen die Vorstellungen der Parteien weit auseinander. Im Wahlprogramm hatte die Union Steuererhöhungen noch eine Absage erteilt. Präsidiumsmitglied Jens Spahn ging am Wochenende auf die Grünen zu, in dem er eine Anhebung des Spitzensteuersatzes nicht kategorisch ausschloss. Der Welt am Sonntag sagte er, zu Beginn der Verhandlungen gebe es keine roten Linien. "Es geht darum, all die Menschen zu entlasten, die jeden Tag hart arbeiten." CSU-Chef Horst Seehofer hatte am Samstag gelobt, dass er bisher keine "Arie über die große Steuererhöhung" gehört habe. Lindner sagte der SZ, Spitzenverdiener stärker zur Kasse zu bitten, halte er für "nicht sinnvoll".

Seiner harten Linie gegenüber Griechenland bleibt Lindner treu. Im Falle eines Schuldenschnittes müsse Athen die Euro-Zone verlassen. Den Aufbau eines Europäischen Währungsfonds sieht er skeptisch. Lindner will bereits in den Sondierungsgesprächen die wichtigsten Punkte festzurren, damit es bei möglichen Koalitionsverhandlungen "keine Missverständnisse gibt".

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SZ vom 23.10.2017/fie
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