Süddeutsche Zeitung

Einwanderungspolitik:Deutschland schiebt mehr Asylbewerber in andere EU-Länder ab

  • Deutschland bemüht sich, das Dublin-Abkommen wieder verstärkt durchzusetzen.
  • Das bedeutet, dass deutsche Behörden mehr in EU-Länder abschieben.
  • Das Abkommen besagt, dass Flüchtlinge in das Land zurückkehren müssen, in dem sie zuerst EU-Boden betreten haben.

Von Roland Preuß

Das Dublin-System hat man schon oft für erledigt erklärt. Kanzlerin Angela Merkel sagte bereits in ihrer berühmten Sommerpressekonferenz während der Flüchtlingskrise im August 2015, dass das Dublin-Abkommen "nicht funktioniert". Und Ungarns Außenminister Péter Szijjártó erklärte es wenig später schlicht für "tot". Nun aber macht sich Deutschland daran, das Abkommen wieder zu neuem Leben zu erwecken: Die Asylbehörden schicken wieder verstärkt Flüchtlinge in andere EU-Staaten zurück. Das Abkommen besagt, dass Flüchtlinge in das Land zurückkehren müssen, in dem sie zuerst EU-Boden betreten haben. Das aber war in den vergangenen Jahren meist nur Theorie.

Nun pocht die Bundesrepublik wieder vermehrt auf die umstrittene Vorschrift. Von Januar bis Ende Mai dieses Jahres brachten die Behörden fast 4100 Flüchtlinge in den EU-Staat zurück, der für das Asylverfahren zuständig ist. Aufs Jahr hochgerechnet würde dies fast 10 000 sogenannte Dublin-Überstellungen ergeben. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr waren es lediglich 7102 Fälle gewesen.

Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, welche der Süddeutschen Zeitung vorab vorliegt. Offenbar sehen die deutschen Asylbehörden auch genauer hin, ob sie ein anderes EU-Land für zuständig halten und fragen es wegen einer Rücknahme an. Dies war von Januar bis Mai bei 38 Prozent aller Verfahren der Fall, deutlich mehr als in den Vorjahren: 2017 sahen die Behörden in nur knapp jedem dritten Verfahren andere EU-Staaten als zuständig an, 2016 nur in jedem 13. Fall. Die meisten Ersuchen, gut 9200, gehen an Italien, fast 1400 Menschen wurden dorthin abgeschoben.

Die Zahlen dürften auch Italiens neuen Innenminister Matteo Salvini interessieren. Der Rechtspopulist hatte jüngst dem Spiegel gesagt: "An Rücküberstellungen haben wir keinen Bedarf." Die Innenexpertin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, sagte, die neuen Zahlen seien keine gute Nachricht. Die "Zwangsumverteilungen" im Dublin-System seien "inhuman und ineffektiv - sie werden auch in Zukunft nicht funktionieren".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4032248
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.06.2018/jael
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.