Ex-Verfassungsschützer Roewer stellt Buch vor:Ein Mann, ein Skandal

Wen intime Details über Roewers Wohnungssuche interessieren, muss sein Buch "Nur für den Dienstgebrauch" unbedingt lesen. Allen anderen müsste reichen, wie wenig es dem Ex-Verfassungsschützer ausmacht, mit einem rechten Verlag zusammenzuarbeiten. Wie einer nichts verrät und alles offenbart.

Thorsten Denkler, Berlin

Ein paar kritische Nachfragen zu seinem Haus, dann hat Verlagschef Wolfgang Dvorak-Stocker offenbar keine Lust mehr. Er bricht die Pressekonferenz ab, in der sein neuer Autor an diesem Donnerstag sein Werk vorstellt. Sie scheinen sich nahezustehen, zumindest tragen sie beide einen Musketier-Bart, Schnäuzer und darunter ein schmaler Kinnbart. Der von Helmut Roewer ist nur eine ganze Spur grauer.

Roewer war mal Chef des Thüringer Verfassungsschutzes. Er ist einer breiteren Öffentlichkeit ein Begriff geworden, weil er vor diversen Untersuchungsausschüssen zu den Morden des rechtsradikalen Terrortrios "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gerne Anwesende beschimpfte und maßregelte. Ehemalige Mitarbeiter berichten über - sagen wir - eher ungewöhnliche Methoden der Amtsführung.

Roewer hat jetzt eben jenes Buch geschrieben, das der Grazer Ares-Verlag veröffentlicht hat. Der Titel: "Nur für den Dienstgebrauch - als Verfassungsschutz-Chef im Osten Deutschlands".

Politisch sei das Buch "höchst brisant", findet Verlagsmann Dvorak-Stocker. Muss er auch finden. Er will es ja verkaufen. Dabei behandelt es überwiegend Belanglosigkeiten einer längst vergangenen Zeit, nämlich der Jahre 1994 bis 2000. In der Zeit war Roewer oberster Verfassungsschützer in Erfurt. Zusammengefasst schreibt er: Die Anfänge damals waren schwierig, überall Intrigen, Unfähigkeit und Korruption. Aber er hatte alles im Griff.

Wer sich für Roewers mühsame Wohnungssuche oder seine geradezu naiven Fehleinschätzungen über das Leben im Osten Deutschlands interessiert, der sollte dieses Buch unbedingt lesen. Beamte, die sich nach der Wende vom Westen in den Osten versetzen ließen, finden sich vielleicht wieder, wenn Roewer ihnen zupöbelt: Einige "Westimporte" in der Verwaltung hätten lieber zu Hause bleiben sollen. Dabei sind heute manche durchaus der Überzeugung, dass der Bonner Westimport Roewer wohl selbst in diese Kategorie gehört.

An einer Stelle lässt er sich aus über einen Mann, der am Arbeitsplatz verstirbt. "Er kippt am Schreibtisch um und was dann auf dem Fußboden des Ministeriums liegt, ist tot", schreibt Roewer. Ein Satz, der die literarische Qualität des Buches ganz gut wiedergibt.

In der Pressekonferenz überrascht Roewer mit tiefen Einblicken in seine strategische Kompetenz. Natürlich habe er herausfinden wollen, wo das Trio stecke, das nach einer Polizeipanne untergetaucht war. Weil nämlich diejenigen, die "einen so wichtigen Schritt in ihrem Leben machen, nämlich in den Untergrund abzutauchen, als gefährlich einzuschätzen sind", sagt er. Hm, da könnte was dran sein, würden Zyniker jetzt sagen.

Roewers Nähe zu rechtsextremen Kreisen

In dem Buch geht es irgendwie um alles, aber wenig um die NSU. Die hätten erst nach seinem Ausscheiden aus dem Amt angefangen zu morden, rechtfertigt Roewer sich. Er schreibt lieber über die Entstehung der neuen Bundesländer, die sozialen Verwerfungen, die Massenentlassungen, die - natürlich - korrupte politische Klasse. Ja, auch über seine Arbeit natürlich, den Extremismus im Land und ein bisschen auch den Rechtsextremismus. Ein Wort, das in seinem 279-Seiten-Werk auf mageren neun Seiten erwähnt wird.

Frueherer Thueringer Geheimdienstchef stellt Buch in Berlin vor

"Nur für den Dienstgebrauch - als Verfassungsschutz-Chef im Osten Deutschlands" - Helmut Roewer bei der Vorstellung seinen Buches. 

(Foto: dapd)

Roewer wird heute mitverantwortlich gemacht dafür, dass seine Behörde zwar mit dem Terror-Trio zu seiner Zeit durchaus Kontakt hatte, aber deren mörderisches Potenzial nicht erkannt habe. Da widerspricht Roewer vehement. Alle entscheidenden Informationen seien weitergeben worden. Wenn Fehler gemacht worden seien, dann auf Seiten der Polizei.

Manche mögen es vielleicht als Fehler Roewers sehen, den Ares-Verlag gewählt zu haben, wenn sie sich bestimmte Zitate des Verlagschefs Dvorak-Stocker vor Augen führen. Der hat mal gesagt: "Gemessen an ihren Verbrechen waren Hitler und Stalin auf gleicher Augenhöhe, nur dass der eine den Krieg gewonnen hat." Oder: "Das NS-Regime ist nicht an seinen Verbrechen, sondern an seiner Dummheit gescheitert." Die Mörder von der NSU nennt er allen Ernstes "Polit-Gangster".

Wer Dvorak-Stocker sieht, der kommt um das Adjektiv "windig" nicht herum: Der dunkelblaue Anzug und die rote Krawatte lenken nur ungenügend vom ungebügelten Einstecktuch und dem faltigen Hemdkragen ab.

Der Ares-Verlag gelte als Plattform für Rechtsextreme, Antisemiten und krude Geschichtsrevisionisten, wird Roewer vorgehalten. Warum er sich nicht einen seriösen Verlag gesucht habe? Das sei ganz einfach, gibt Roewer zurück. Er habe auf Hinweis seines "Literaturagenten" die Autorenliste durchgesehen und seinen ersten Staatsrechtslehrer dort entdeckt. Und da habe er sich gesagt, wenn der da veröffentliche, dann sei das ein guter Verlag für ihn. Er meint Ingo von Münch, der bei Ares etwa das Buch "Frau, komm! Die Massenvergewaltigungen deutscher Frauen und Mädchen 1944/45" veröffentlichen konnte.

Dvorak-Stocker hat genug. Vielleicht hat er Sorge, dass ihm diese Pressekonferenz entgleitet. Jedenfalls will er weitere Fragen nicht mehr zulassen und beendet die Pressekonferenz. Kurz danach gehen Roewer und ein junger Mann im Atrium der Bundespressekonferenz zusammen einen Kaffee trinken. In der Pressekonferenz hatte sich der Mann als Schreiber der Zeitung Junge Freiheit zu erkennen gegeben. Auch so ein Blatt, das Rechtsextremen gerne eine Plattform bietet. Das Gespräch dauert länger. Roewer scheint sich wohl zu fühlen.

Vielleicht war nicht sein Umgang mit dem Zwickauer Trio skandalös. Vielleicht ist einfach nur der ganze Mann Roewer ein einziger großer Skandal.

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