Washington/New York (dpa) - Donald Trump gilt als Inbegriff von Unbeständigkeit. Doch eine Konstante gibt es in seinem Leben: eine Serie von Skandalen und Rechtsstreitigkeiten. Bemerkenswert dabei: Der Republikaner ist dadurch nicht unterzukriegen. „Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren“, sagte er 2016 im Präsidentschaftswahlkampf. Der vielzitierte Satz beschreibt auf pointierte Weise das erstaunliche Phänomen Trump: Ihm ist es gelungen, über Jahrzehnte eine politische Affäre nach der anderen zu überstehen, sich aus zahllosen juristischen Auseinandersetzungen und Ermittlungen herauszuwinden, ohne in der politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden oder je strafrechtlich belangt zu werden. Zumindest bislang.
Nun droht dem 76-Jährige allem Anschein nach ein Ende seiner Erfolgsserie. Denn womöglich geht er in Kürze als erster Ex-Präsident in die US-Geschichte ein, der wegen einer Straftat angeklagt wird. In New York laufen Ermittlungen gegen ihn im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin. Und Beobachter rechnen seit Tagen mit einer Anklageerhebung - Trump selbst auch. Er wütet täglich auf seinem Twitter-Pendant Truth Social dazu und nutzte am Samstag auch einen Wahlkampfauftritt in Texas, um gegen Justiz und politische Gegner zu wettern. Er sprach dort von „kriminellen Ermittlungen“ gegen ihn. Im Publikum hielten Zuschauerinnen und Zuschauer Schilder mit dem Wort „Hexenjagd“ in die Höhe.
Ob Trump in dem Fall am Ende tatsächlich verurteilt und damit seinem politischen Aus entgegensehen würde, ist jedoch fraglich. Ob er dafür in Haft müsste, erst recht. Sein früherer Anwalt Michael Cohen musste zwar wegen der Zahlungen ins Gefängnis - Trump hier eine Straftat nachzuweisen, dürfte aber ungleich schwieriger sein. Und selbst als verurteilter Straftäter könnte der Republikaner theoretisch bei der nächsten Präsidentenwahl im November 2024 als Kandidat seiner Partei antreten.
Skandale: Trump spielt in eigener Liga
Der New Yorker Fall zeigt einmal mehr, dass Trump in Sachen Skandalen in einer eigenen Liga spielt. Es geht hier nicht um den moralischen Ballast, dass eine Pornodarstellerin behauptet, sie habe Sex mit Trump gehabt, kurz nachdem dessen Ehefrau 2006 den gemeinsamen Sohn auf die Welt gebracht hatte - was Trump bestreitet. Der Vorwurf wabert schon seit Jahren umher, ohne dass es Trump beim ersten Mal gehindert hätte, Präsidentschaftskandidat seiner Partei zu werden. Der Vorwurf lautet auch nicht, dass er Schweigegeld an den besagten Pornostar zahlen ließ. Das hat Trump schon 2018 öffentlich eingestanden - was für viele andere längst das politische Karriereende bedeutet hätte. Nein, es geht um die möglicherweise unlautere Verbuchung dieser Zahlungen.
Nach deutschen Maßstäben ist schwer vorstellbar, dass ein Politiker überhaupt als Kanzlerkandidat antreten könnte, wenn ihn zuvor über Jahre ein solch delikater Vorwurf begleitet hätte. Im Fall Trump ist es einer von vielen. Diverse Frauen warfen ihm in der Vergangenheit sexuelle Belästigung vor, eine auch Vergewaltigung. Trump wies alle Anschuldigungen zurück und machte ungestört weiter Karriere.
Auch andere Entgleisungen schadeten ihm nicht: Im Wahlkampf 2016 wurde eine alte Tonaufnahme publik, in der sich Trump anzüglich über Frauen äußerte - und darüber, dass er sie überall anfassen könne, auch zwischen den Beinen. Die Amerikaner wählten ihn trotzdem zum Präsidenten.
Nie da gewesenes Maß an Ermittlungen
Im Weißen Haus überstand Trump dann ein nie da gewesenes Maß an Ermittlungen: Erst untersuchte ein Sonderermittler zwei Jahre lang, ob Trumps Wahlkampfteam geheime Absprachen mit Vertretern Russlands traf und ob Trump später, als er Präsident war, die Ermittlungen der Justiz dazu behinderte. Für Trump blieb die Untersuchung folgenlos.
Danach ging er als erster US-Präsident in die Geschichte ein, gegen den gleich zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurden. Im ersten musste er sich wegen Machtmissbrauchs und Behinderung von Kongressermittlungen verantworten. Im zweiten ging es um die Attacke seiner Anhänger auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Beide Male wurde Trump freigesprochen, dank der Mehrheit seiner Republikaner im Senat.
Wer dachte, dass sich Trump durch seinen vergeblichen Feldzug gegen die Niederlage bei der Wahl 2020 und durch den Gewaltausbruch am Kapitol zumindest politisch bei seiner Basis für jedes höhere Amt disqualifiziert hätte, auch der irrte. In Umfragen liegt Trump im Feld potenzieller republikanischer Präsidentschaftsbewerber für 2024 weiter ganz vorne.
Trump ist ein Meister darin, jeden Skandal, jede Ermittlung, jeden rechtlichen Vorwurf umzumünzen, um seine Anhänger anzuheizen und Spenden zu sammeln. Er spricht von einer „Hexenjagd“, von politisch motivierten Versuchen, ihn zum Schweigen zu bringen. Seine hartgesottenen Anhänger fühlen sich dadurch in ihrem Eifer bestärkt.
Kein Lossagen von Trump
Und im Parteiestablishment der Republikaner? Dort veranlasste keiner der Skandale und keine politische Eskapade der vergangenen Jahre die Parteiprominenz dazu, sich von Trump loszusagen - nicht einmal der zuvor undenkbare Angriff auf die US-Demokratie. Erst das von Trump mitverursachte Debakel der Republikaner bei den Kongresswahlen im Herbst 2022 - also die Angst um die eigene politische Macht - löste größere Absetzbewegungen aus und führte dazu, dass sich inzwischen mehrere prominente Republikaner offen gegen Trump in Stellung bringen.
Schon vor seiner Zeit im Weißen Haus, in seinen Jahrzehnten als Immobilienunternehmer, war Trump mit Unmengen an Klagen und Ermittlungen gegen ihn und seine Firmen konfrontiert, etwa wegen angeblich dubioser Geschäftspraktiken oder möglicher Steuervergehen. Das geht bis heute so. Doch noch nie ging es Trump dabei persönlich an den Kragen. Nur andere aus seinem Umfeld mussten hinter Gitter.
Im September legte die New Yorker Staatsanwaltschaft eine Zivilklage wegen Betrugs vor, die sich unter anderem gegen Trump, dessen Konzern und drei seiner Kinder richtet. Sie sollen im großen Stil und über Jahre hinweg den Firmenwert der Trump Organization manipuliert haben. Hier geht es aber lediglich um finanzielle Forderungen.
Ein Hauch des Dubiosen
Trump umweht also seit vielen Jahren beharrlich ein Hauch des Dubiosen, ohne dass dies seinen politischen Aufstieg ins höchste Amt der USA aufgehalten hätte. Nun aber scheint er juristisch in die Ecke gedrängt wie nie zuvor - nicht nur wegen der möglichen Anklage in New York. Ein vom US-Justizministerium eingesetzter Sonderermittler untersucht Trumps Umgang mit geheimen Regierungsunterlagen. Trump bewahrte nach dem Auszug aus dem Weißen Haus in großer Zahl Regierungsdokumente in seinem privaten Anwesen Mar-a-Lago in Florida auf, darunter viele Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe. Trump könnte sich strafbar gemacht haben - und er könnte sich nach Ansicht mancher Juristen mit dieser Sache im Fall einer Anklage und Verurteilung womöglich auch für das Präsidentenamt disqualifizieren.
Der Sonderermittler untersucht außerdem, welche Rolle Trump bei der Kapitol-Attacke und den Bemühungen spielte, den Wahlausgang 2020 zu manipulieren. Auch hier sehen manche Experten anders als bei dem New Yorker Fall Risiken für Trump und seine Wiederwahl-Ambitionen: Laut Verfassung sind nämlich jene von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die sich an einer Rebellion gegen die Regierung beteiligt haben.
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