Süddeutsche Zeitung

Ex-Sklavin Mbarka Mint Essatim:"Mit zwölf wurde ich von meinem Herrn schwanger"

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Wir treffen Mbarka Mint Essatim nur virtuell, als schwarzen Schleier hinter einem Laptop. Sie sitzt im Schneidersitz in einem kahlen Raum im Haus des Aktivisten Biram Dah Abeid, und mit Hilfe eines Übersetzers erzählt sie ihre Geschichte.

Frederik Obermaier und Niklas Schenck

"Ich wurde 1988 geboren, als Sklavin eines Bidan, eines weißen Mauren. Seit meiner Kindheit musste ich für ihn arbeiten. Der Mann heißt Brahim Salem Ould Bouh, er ist nicht reich, aber er hat Ziegen und Kamele und damit Milch und Fleisch. In der Regenzeit zogen wir mit dem Vieh in den Busch, dort lebten wir in großen Zelten.

Bis ich fünf Jahre alt war, lebte ich bei meiner Mutter. Dann holte mich Brahim zu sich, und ich musste im Haushalt helfen: Wäsche waschen, Kochen, Fisch und Reis kaufen auf dem Markt, den die Bidan niemals besuchen würden.

Sie weckten mich jeden Morgen, wenn die Bäume noch schwarz waren. Dann musste ich Frühstück machen für die ganze Familie und Tee zubereiten mit warmer Milch. Es war die einzige Stunde am Tag, in der ich sitzen durfte, und wenn ich mich unsichtbar machte, konnte ich ihnen zuhören. Manchmal sagten sie witzige Sachen, aber ich habe schnell gelernt, beim Lachen keine Geräusche zu machen, sonst bekam ich Prügel.

Mein Besitzer hatte zwei Söhne und sechs oder sieben Töchter, manchmal brachte ich sie zur Schule, danach lief ich wieder zurück. Ich habe lange nicht verstanden, warum die weißen Kinder in den Unterricht durften und ich nicht. Sie sagten, zusammen seien wir wie Augen. 'Du bist das Schwarze, wir sind das Weiße, also gehören wir zusammen. Du bist unser Sklave, Allah hat dich uns gegeben'. Ich begriff, dass ich für meine Besitzer nur eine Sache war. Sie konnten mich benutzen, wie sie wollten.

Als Brahim mich zum ersten Mal vergewaltigt hat, trug ich noch nicht einmal einen Schleier. Mit zwölf wurde ich schwanger. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen muss, und ich wurde sehr krank. Sie schickten mich zu meiner Mutter, damit ich das Kind dort zur Welt bringe. Später musste ich zurück. Jetzt vergewaltigte mich auch Brahims ältester Sohn. Mein zweites Kind ist von ihm. Ich musste selbst lernen, was mein Kind braucht, niemand erklärte mir etwas, und ich musste weiter arbeiten, oft lag meine Tochter alleine herum.

Ich begriff nur langsam, dass es nicht normal ist, Sklave zu sein. Irgendwann lernte ich Mokhtar kennen, er arbeitete als Fahrer für Brahim, und er sagte mir, dass es nun ein Gesetz gebe, dass Sklaverei verbietet. Brahim hielt mich nicht auf, er hatte Angst. Aber meine beiden Töchter musste ich bei ihm lassen. Später hat er meine Mutter unter Druck gesetzt, damit ich zurückkomme.

"Ich war nur eine Sache für dich"

Jetzt ist Mokhtar mein Ehemann, er sorgt für mich. Als Aktivisten meine Töchter befreiten, schrie meine frühere Besitzerin. 'Du warst unsere Tochter, warum bringst Du die Polizei zu uns?' Ich sagte: 'Ich war nicht deine Tochter, denn deine Tochter ging zur Schule. Ich war nur eine Sache für dich'. Ich durfte meine Töchter mitnehmen, aber niemand wurde bestraft, nicht einmal verhört.

Mein Leben ist jetzt so anders. Ich schäme mich jeden Tag, denn als früherer Sklave bist Du nichts. Aber ich kann meine Mutter besuchen und Freunde, und ich kann schlafen, wenn ich müde bin. Ich bin meine eigene Besitzerin. Ich kann immer noch nicht lesen, aber das ist nicht wichtig. Ich kümmere mich um meine Kinder, ich wecke sie früh und mache ihnen Frühstück. Manchmal kommt meine elfjährige Tochter aus der Schule und zeigt mir, was sie gelernt hat. Sie hat mir beigebracht, wie man Seil springt.

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