Süddeutsche Zeitung

Ex-RAF-Terroristin Verena Becker will aussagen:Reden, ohne etwas zu sagen

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35 Jahre ist es her, dass Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen wurde, getötet bei einem Attentat der RAF. Jetzt will die Frau, die des Mordes an Buback angeklagt ist, erstmals reden. Doch dass sie wirklich etwas sagt, ist zu bezweifeln.

Wolfgang Janisch

Die Not, in Stammheim ein Taxi zu bekommen, hatte dem SZ-Reporter unverhofft eine Taxifahrt mit Verena Becker beschert. Eingekeilt zwischen zwei Verteidigern, versuchte er, sich vorsichtig per Smalltalk anzuschleichen: Die ständigen Flüge von Berlin nach Stuttgart, anstrengend, nicht wahr. Die einstige Terroristin blickte kurz nach hinten und sagte mit jener freundlichen Verbindlichkeit, die keinen Widerspruch duldet: "Ich mag nicht reden."

Dabei blieb es, mehr als 80 Prozesstage lang. An diesem Montag will die 59-Jährige, angeklagt des Mordes an Siegfried Buback und seinen beiden Begleitern, ihr Schweigen brechen. Ein Geständnis? Warum sollte sie? Denn dass sie selbst den Generalbundesanwalt erschossen hat - wie dessen Sohn Michael Buback glaubt - , dafür spricht wenig. Natürlich folgt sie dem Rat ihrer Anwälte Hans Wolfgang Euler und Walter Venedey, die wohl eine Verurteilung wegen Beihilfe fürchten, weil ihre Mandantin nun mal irgendwie bei der RAF-Planung der "Offensive 77" dabei war. Daher dürfte sie etwas zu ihrer Rolle im Vorfeld der Tat sagen. Oder dazu, wo sie am 7. April 1977 war, dem Tag des Karlsruher Anschlags.

Aber man sollte die kleine Person, die den Prozess trotz einer gravierenden Autoimmun-Erkrankung durchgestanden hat, nicht unterschätzen. Wenn sie redet, dann wird das ihre eigene Entscheidung sein - eine womöglich willkommene Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzustellen. In tagebuchartigen Aufzeichnungen hatte sie sich in den letzten Jahren durchaus selbstkritisch mit den "Schatten der Vergangenheit" auseinandergesetzt: "Was will ich erreichen?", lautet ein Eintrag, "sagen wie es wirklich war".

Verena Becker wuchs mit neun Geschwistern in Berlin auf. Der Vater, ein Bergbautechniker, ist früh gestorben, die Mutter vermutlich bis an die Grenzen gefordert - aber die Familie, die Schwestern, das ist bis heute der Rückhalt Beckers. Mit 17 zog sie zu Hause aus und fand bald Anschluss in der linksradikalen Szene. "Die schwarze Braut kommt", stand auf den Aufklebern, die sie und Inge Viett hinterließen, wenn sie des Nachts Brautgeschäfte und Sexshops in Brand setzten - aus Protest gegen die "Entwertung der Frau".

Ein von britischen Soldaten verursachtes Blutbad in Nordirland war der Auslöser für einen Sprengstoffanschlag auf einen britischen Yachtclub, den sie, nun bereits Mitglied der "Bewegung 2. Juni", 1972 mit vorbereitete. Ein blutiger Fehlschlag - die Bombe tötete einen Rentner. Becker machte weiter, unbeirrbar. Raubte Banken aus, wurde verhaftet, verurteilt und schließlich bei der Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz freigepresst. Das war im Jahr 1975, ihr Einstieg in die "Rote Armee Fraktion".

Schon einmal hat Verena Becker vor staatlichen Behörden ausgesagt, Anfang der 80er Jahre beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Das steht in einer geheimnisumwitterten Akte, die freilich kein Licht ins Dunkel der bis heute nicht abschließend aufgeklärten Anschläge gebracht hat. Dass sie nun dem Oberlandesgericht Stuttgart sagen wird, wer damals vom Soziussitz eines Motorrads aus Siegfried Buback erschossen hat - daran glaubt niemand.

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Quelle:
SZ vom 14.05.2012
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