Ex-RAF-Terroristin Becker verurteilt:Schuldspruch gegen das Schweigen

Verena Becker muss wegen Beihilfe zum Mord an Siegfried Buback ins Gefängnis. Doch wer damals geschossen hat, diese Frage bleibt auch nach 35 Jahren noch offen. Der Prozess von Stuttgart macht deutlich: Nur die ehemaligen RAF-Mitglieder selbst kennen die Wahrheit - und sie sind bereit, ihre Geheimnisse mit ins Grab zu nehmen.

Johannes Kuhn

Manchmal haben wir mit der Vergangenheit abgeschlossen, doch die Vergangenheit noch nicht mit uns. Der Urteilsspruch gegen das ehemalige RAF-Mitglied Verena Becker mag die persönliche Schuld der heute 59-Jährigen am Mord am damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback 1977 feststellen; was an jenem Gründonnerstag wirklich in Karlsruhe geschah, an dem drei Menschen sterben mussten, bleibt aber weiter rätselhaft.

15 Kugeln trafen Buback und zwei Begleiter damals in seinem Dienstwagen. Ein Motorrad hatte sich an einer Kreuzung neben seinen Wagen gedrängt, eine Person vom Sozius aus Schüsse abgegeben. Wer die beiden Menschen aus dem "Kommando Ulrike Meinhoff" waren, konnte das Oberlandesgericht Stuttgart auch mit 95 Verhandlungstagen und 160 geladenen Zeugen nicht klären.

Die Richter verurteilten Becker zwar zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, von denen zwei Jahre und sechs Monate bereits als vollstreckt gelten. Doch die gebürtige Berlinerin wurde nicht als Täterin oder Mittäterin verurteilt, sondern wegen Beihilfe zum Mord.

Indizien deuten nur auf Beihilfe

Das ist ein großer Unterschied zu dem Vorwurf von Michael Buback, dem Sohn des Ermordeten, der als Nebenkläger auftrat und Becker für die Todesschützin hält. Auch die Bundesanwaltschaft konnte ihren ursprünglichen Vorwurf, Becker sei in ihrer Rolle als Beteiligte anzuklagen, nicht lange aufrechterhalten.

Indizien wie DNA-Spuren auf dem Bekennerschreiben legten nur nahe, dass Becker in die Planungen der Morde involviert war und sich damit der Beihilfe schuldig machte. Dass sich die damals 24-Jährige am 7. April 1977 überhaupt in Karlsruhe aufhielt, war nicht nachzuweisen. Sie selbst gab an, sich zu diesem Zeitpunkt im "Nahen Osten" befunden zu haben.

Das RAF-Vermächtnis der ungeklärten Täterschaft

Damit bleibt auch nach 35 Jahren unklar, wer die Morde wirklich verübt hat. Als direkte Beteiligte wurden die RAF-Mitglieder Knut Folkerts und Christian Klar verurteilt - allerdings nur als Mittäter.

Ex-RAF-Terroristin Becker verurteilt: Der Tatort in Karlsruhe: Hier wurde Siegfried Buback erschossen, von wem, ist immer noch nicht geklärt.

Der Tatort in Karlsruhe: Hier wurde Siegfried Buback erschossen, von wem, ist immer noch nicht geklärt.

(Foto: AP)

Der Ex-Terrorist Peter-Jürgen Boock behauptet, RAF-Mitglied Stefan Wisniewski sei der Motorrad-Schütze gewesen - allerdings basiert diese Information seinen Angaben nach auf Hörensagen. Auch Verena Becker soll nach ihrer Abkehr von der RAF in den achtziger Jahren dem Verfassungsschutz Wisniewski als Täter genannt haben.

Ihre damalige Aussage konnte im Prozess allerdings nicht verwendet werden, da der Verfassungsschutz die entsprechenden Akten dem Gericht nicht zur Verfügung stellte - ein Grund, weshalb Michael Buback an der Theorie festhielt, der Verfassungsschutz halte seine schützende Hand über Becker.

Die Einzigen, die eventuell Licht ins Dunkel hätten bringen können, wären die zwölf vorgeladenen ehemaligen RAF-Mitglieder gewesen. Acht von ihnen jedoch verweigerten die Aussage. Diejenigen, die redeten, waren zu weit weg vom "Kommando Ulrike Meinhof", um für den Prozess wirklich wertvolle Informationen zu liefern. Die Angeklagte selbst zog es vor, zu Details zu schweigen und sich darauf zu beschränken, ihre Schuld abzustreiten.

Nur das Ende des Schweigens kann Klarheit bringen

Der Becker-Prozess zeigte deutlich, dass nur ein Ende des Schweigens die letzten Geheimnisse der RAF enthüllen könnte. Doch die demonstrative Verweigerung aller Aussagen durch zentrale Figuren wie Brigitte Mohnhaupt wirkte, als fühlten sich viele Ex-Mitglieder immer noch dem Pakt der Verschwiegenheit verpflichtet.

Auf der anderen Seite agieren die ehemaligen Terroristen auch aus Selbstschutz: Jedes neue Detail, das hat die Anklageerhebung der Bundesanwaltschaft gegen Becker gezeigt, kann zu neuen Prozessen und Verurteilungen führen.

Damit bleibt die Täterschaft in einem weiteren RAF-Mord ungeklärt. Michael Buback wird womöglich niemals erfahren, welches Mitglied der Terrororganisation seinen Vater umgebracht hat. Dieses tragische Schicksal teilt er mit den Verwandten anderer prominenter RAF-Opfer wie Hanns Martin Schleyer, Alfred Herrhausen oder Detlev Rohwedder.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: