Ex-RAF-Terroristin Becker:"Die Beweise reichen"

Die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker stehe unter dem dringenden Verdacht, Mittäterin im Buback-Mordfall zu sein, sagt die Bundesanwaltschaft - und will bis März Anklage erheben.

H. Kerscher

Die Bundesanwaltschaft will Ende März 2010 Anklage gegen die frühere RAF-Terroristin Verena Becker erheben. Das erklärte Rainer Griesbaum, der Stellvertreter von Generalbundesanwältin Monika Harms, bei der Jahrespressekonferenz der Behörde. Becker stehe unter dem dringenden Verdacht, Mittäterin bei der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seinen beiden Begleitern am 7. April 1977 in Karlsruhe gewesen zu sein.

Ex-RAF-Terroristin Becker: Verena Becker wird 1977 am Oberlandesgericht in Stuttgart nach dem Urteil gegen sie zu einem Auto gebracht, das sie zurück in die Haftanstalt bringt.

Verena Becker wird 1977 am Oberlandesgericht in Stuttgart nach dem Urteil gegen sie zu einem Auto gebracht, das sie zurück in die Haftanstalt bringt.

(Foto: Foto: dpa)

Derzeit prüfe der Bundesgerichtshof eine Haftprüfungsbeschwerde von Becker. Die 57-Jährige befindet sich seit dem 27. August in Untersuchungshaft.

"Dringend verdächtig"

Harms stellte klar, dass trotz der sorgfältigen Bemühungen ihrer Behörde immer noch nicht geklärt sei, wer damals von einem Motorrad aus geschossen habe. Wegen des Schweigens der RAF-Täter müssten die Öffentlichkeit und die Angehörigen Bubacks möglicherweise damit leben, dass dies nicht aufgeklärt werden könne. Am Rande der Pressekonferenz wurde bekannt, dass die Behörde eine Teilnahme des Sohnes Michael Buback an dieser Veranstaltung abgelehnt hatte.

Für die Bundesanwaltschaft bestehen aufgrund von kriminaltechnischen Gutachten keinerlei Zweifel, dass "Anhaftungen" auf Briefumschlägen von Selbstbezichtigungsschreiben von Verena Becker stammten. Sie sei deshalb dringend verdächtig, sich an dem Anschlag der Roten Armee Fraktion (RAF) als Mittäterin beteiligt zu haben. Die Behörde bemühe sich für dieses Verfahren weiterhin um die Freigabe von Akten des Verfassungsschutzes durch das Bundesinnenministerium, sagte Griesbaum.

Die Beweise gegen Becker reichten zwar jetzt schon für eine Anklage aus, es gehe der Behörde aber um eine "bestmögliche Beweisführung". Parallel dazu werde das Ermittlungsverfahren gegen den ebenfalls wegen des Karlsruher Attentats verdächtigen Stefan Wisniewski weitergeführt.

"Hohe kriminelle Energie"

Griesbaum berichtete weiter, die Bundesanwaltschaft habe die Ermittlungen wegen des Brandanschlags auf ein Hamburger Polizeikommissariat am 3. Dezember übernommen. Gegen die mindestens zehn Täter werde wegen Mordversuchs und besonders schwerer Brandstiftung ermittelt, sagte er. Die Straftat sei "bestimmt und geeignet, die innere Sicherheit des Landes zu beeinträchtigen", weshalb die Bundesanwaltschaft dafür zuständig sei.

Es werde derzeit nicht wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt, sagte Griesbaum allerdings. Die dafür erforderliche Struktur und Dauerhaftigkeit der Gruppe könne aktuell nicht bejaht, jedoch auch nicht ausgeschlossen werden. Griesbaum bestätigte, dass es Zusammenhänge mit gleichzeitig begangenen Anschlägen auf eine Zweigstelle des Bundeskriminalamts in Berlin und auf das Bundeskanzleramt geben könne. Die Hamburger Tat sei eingebettet in eine ideologische Eskalation.

Der Bundesanwalt schilderte detailliert den Angriff auf das Polizeikommissariat in Hamburg, der "mit hoher krimineller Energie" ausgeführt und "generalstabsmäßig" vorbereitet worden sei.

Während eine Gruppe von ungefähr zehn Tätern das Gebäude sowie Autos in Brand setzen wollte, habe eine andere Gruppe versucht, etwaigen Hilfsfahrzeugen den Weg abzuschneiden. Zu diesem Zweck seien 90 "Krähenfüße" auf den Zufahrtsstraßen verteilt worden.

Es sei geplant gewesen, die Tür des Gebäudes zu versperren und brennende Mülltonnen in die Garage zu rollen. Die Täter hätten mehrere 1,5-Liter-Flaschen mit Benzin und zahlreiche Pflastersteine bei sich gehabt. Nur durch Glück habe sich der Schaden für die Polizisten und ihre Fahrzeuge in Grenzen gehalten.

Islamischer Terror längst in Deutschland angekommen

Harms rückte in ihrer Jahresbilanz das Verfahren gegen die Sauerland-Gruppe in den Mittelpunkt. Sie sprach von einem "Schulfall geglückter Aufklärungsarbeit sowie von akribischer Anklageerhebung und sensibler Prozessführung". Insbesondere die Geständnisse der wegen der Vorbereitung eines Terroranschlags angeklagten drei Männer während der Hauptverhandlung seien wertvoll gewesen. Sie hätten ein eindrucksvolles Schlaglicht auf die Welt der islamistischen Verführung, auf die Zumutungen in den Ausbildungslagern und auf die schrecklichen Konsequenzen für die Gesellschaft geworfen. Harms rief angesichts der Gefahren des islamistischen Terrorismus, der längst auch in Deutschland angekommen sei, zur Wachsamkeit auf.

Auch wenn einer Flut von Terrordrohungen - insbesondere in den Wochen vor der Bundestagswahl im September - keine Anschläge gefolgt seien, bestehe "kein Grund zur Entwarnung", sagte Harms. Es gebe nach wie vor Droh- und Hetzkampagnen im Internet, eine Tendenz zur Verbreitung zur Terrorpropaganda durch Einzelpersonen sowie die Ausbildung von Terroristen in entsprechenden Lagern. Die Generalbundesanwältin sprach von vielen kleinen Lauffeuern, bei denen Organisationen wie al-Qaida durch einen Funkenflug aus der Ferne weltweit Anschläge auslösen könnten.

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