Ex-RAF-Terrorist Christian Klar:26 Jahre ohne Reue

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Skrupelloser Terrorist oder reuevoller Bürger: Das Stuttgarter Oberlandesgericht entscheidet über die Haftentlassung des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar.

Bernd Dörries

In den vergangenen fast 26 Jahren hat Christian Klar in der Gefängniswäscherei Bruchsal gearbeitet und Körbe geflochten. Er hat sich von dem Lohn einen Fernseher gekauft und regelmäßig Tischtennis gespielt.

Laut Gutachtern keine Gefahr mehr für die Gesellschaft: Der ehemalige RAF-Terrorist Christian Klar. (Archivbild von 1982) (Foto: Foto: dpa)

Als er einmal nach seinen Plänen in der Freiheit gefragt wurde, sagte der ehemalige RAF-Terrorist, er hoffe, "dass die Lohnarbeit nicht so einen großen Umfang einnimmt".

An diesem Montag entscheidet das Oberlandesgericht Stuttgart, ob Klar am 3. Januar 2009 aus der Haft entlassen wird. Der 56-Jährige war unter anderem wegen gemeinschaftlichen Mordes an Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dem Bankier Jürgen Ponto zu sechsmal lebenslanger Haft verurteilt worden, die Mindestverbüßungsdauer wurde später auf 26 Jahre festgelegt.

Drei Gutachter haben Klar in den vergangenen Jahren untersucht und keiner war der Meinung, dass von ihm noch eine Gefahr für die Gesellschaft ausgehe. Auch die Bundesanwaltschaft hat nichts gegen seine Entlassung einzuwenden. Es wäre also nicht überraschend, wenn das Gericht dies auch so sehen würde.

Trotzdem werden sich viele empören, wenn Klar wieder in Freiheit ist. Der Hamburger Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) meinte schon mal vorsorglich, es sei "den Angehörigen der Opfer kaum zu vermitteln, dass ein skrupelloser Terrorist, der seine Taten nicht bereut hat, aus rein formalen Gründen wieder auf freien Fuß kommt".

Schon in den vergangenen Jahren wurden im Fall Klar die alten Konflikte nachgespielt - ein politisches Ritual. Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) verweigerte Klar über Jahre Haftlockerungen und Freigänge: Mal, weil er die Gefahr sah, dass Klar kurz vor seiner Entlassung Fluchtgedanken entwickeln könne, mal weil dieser in einem Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz "die Niederlage der Pläne des Kapitals" ankündigte.

Das hielt der Marktliberale Goll für gemeingefährlich. Klar klagte seine Haftlockerungen regelmäßig ein, mindestens 14 Mal war er schon draußen, zu Spaziergängen und Fahrradtouren.

Klar habe seine Taten nie bereut, werfen ihm die Gegner seiner Entlassung vor. Juristisch spielt dies für das Oberlandesgericht Stuttgart keine Rolle mehr. Es ist eine moralische Frage. Schuld und Sühne, hat Klar 2001 dem Journalisten Günter Gaus gesagt, seien "im politischen Raum keine Begriffe".

Klar saß damals im Jogginganzug vor der Kamera, er hatte Probleme beim Sprechen, manchmal wirkte er so, als könne er die Zunge nicht vom Gaumen lösen, vertrocknet und verstockt, seine Augen lagen tief in den Höhlen.

Klar sprach noch immer die Sprache der RAF, redete von "Illegalität als großer Freiheit" und davon, dass er sich die Gefühle der Opfer, der "anderen Seite", nicht zu eigen machen könne.

Wahrscheinlich wusste Bundespräsident Horst Köhler auch wegen solcher Sätze nicht, warum er Klar im Jahr 2007 hätte begnadigen sollen. Selbst einstige RAF-Symphatisanten konnten mit diesen seltsamen Gedanken wenig anfangen.

Eine Entscheidung habe er gefällt, sagte Klar der Wochenzeitung Freitag Ende 2007: "Ich werde ein legales Leben führen".

Claus Peymann, der Ende der 70er Jahre in Stuttgart Geld für den Zahnersatz von RAF-Terroristen gesammelt hatte und heute Intendant des Berliner Ensembles ist, hat Klar ein Praktikum angeboten und später eine Ausbildung zum Bühnentechniker. Es wäre wohl die erste lohnabhängige Tätigkeit im Leben von Christian Klar.

© SZ vom 24.11.2008/cag/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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