Ex-Nationalspieler:Özils Rückzug wühlt Deutschland auf

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Als Weltklassefußballer mit türkischen Wurzeln im DFB-Team galt er als Idealfall der Integration. Jetzt sagt die CDU-Politikerin Serap Güler: "Du musst nur einen Fehler machen, schon bist du wieder der Türke".

Von Detlef Esslinger, München

"Ich habe das Gefühl, dass ich nicht gewollt bin": Vier Jahre nach dem WM-Titel von Rio mag Mesut Özil nicht mehr für Deutschland spielen. (Foto: Regina Schmeken)

Mesut Özil hat mit seinem Rückzug aus der Fußballnationalmannschaft eine Debatte über Rassismus in Deutschland ausgelöst. Es gab am Montag Solidarität und Kritik, die Fronten verliefen quer durch alle Milieus. Der DFB gab an, den Schritt zu bedauern, wies aber die Vorwürfe des Spielers zurück.

Özil hatte am Sonntag bei Twitter mitgeteilt, dass er das deutsche Trikot nicht länger tragen will: "Ich habe das Gefühl, dass ich nicht gewollt bin." Dem DFB-Präsidenten Reinhard Grindel wies er die Schuld dafür zu. In dessen Augen sei er "Deutscher, wenn wir gewinnen, aber ein Migrant, wenn wir verlieren". Özil hielt Grindel vor, bereits vor 14 Jahren als CDU-Bundestagsabgeordneter Multikulturalität als "lebenslange Lüge" bezeichnet zu haben. Grindel antwortete am Montag nicht direkt; in der Erklärung des DFB-Präsidiums hieß es, das Gremium wolle "manche für uns in Ton und Inhalt nicht nachvollziehbare Aussage unkommentiert lassen".

Andere kommentierten dafür umso intensiver. Grünen-Chef Robert Habeck sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wie der DFB sich mit Grindel noch mal als weltoffen und lautstark gegen Rassismus präsentieren will, ist fraglich." Besondere Aufmerksamkeit erzielte die SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli, die die Interessen des Landes Berlin beim Bund vertritt. Chebli, Jahrgang 1978, ist die Tochter palästinensischer Flüchtlinge, sie griff Özils Eindruck auf, nicht gewollt zu sein. "Werden wir jemals dazugehören? Meine Zweifel werden täglich größer", schrieb sie bei Twitter. Die Berliner Publizistin Hatice Akyün hingegen empfahl Özil einen "Intensivkurs" in Demokratie; danach solle er zumindest einen Teil seiner Erklärung neu schreiben. Die CDU-Politikerin Serap Güler, Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen, sagte der SZ, sie könne beide Positionen nachempfinden. Es sei ein Fehler von Özil gewesen, sich mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan fotografieren zu lassen. "Um Verbundenheit mit der Heimat seiner Eltern zu zeigen, muss man nicht jemanden mit einem Foto ehren, der den Rechtsstaat mit Füßen tritt", sagte Güler. Zugleich bestätige der Umgang mit Özil das ohnehin schon herrschende Gefühl: "Du musst nur einen Fehler machen, und schon bist du wieder der Türke."

Auch in der Regierung gibt es erkennbar unterschiedliche Sichtweisen des Themas. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nur ausrichten ließ, Özils Entscheidung zu "respektieren", nannte Justizministerin Katarina Barley (SPD) den Rückzug ein "Alarmzeichen". Außenminister Heiko Maas, ebenfalls SPD, hielt es indes für erwähnenswert, dass Özil reich ist: Er glaube nicht, "dass der Fall eines in England lebenden Multimillionärs Auskunft gibt über Integrationsfähigkeit in Deutschland".

Besonders drastisch äußerte sich Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern München. Özil habe seit Jahren "einen Dreck" gespielt, er sei froh, dass der Spuk vorbei sei. "Wo sind Höflichkeit, Toleranz, Pluralismus geblieben?" - diese Frage gab es am Montag auch. Gestellt wurde sie vom Sprecher Erdoğans.

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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