Ex-Ministerpräsident Mappus:Angreifen, immer angreifen

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Stefan Mappus bei einer Sitzung des EnBW-Untersuchungsausschusses im Landtag von Stuttgart. (Foto: dpa)

Stefan Mappus dachte, mit dem EnBW-Deal als Ministerpräsident von Baden-Württemberg zu triumphieren. Tatsächlich kostete der ihn Amt und Ruf. Nun zieht der Landtag Bilanz. Der Ex-Politiker hat unterdessen eine Klage gegen seine eigenen Anwälte fertig.

Von Roman Deininger und Max Hägler, Stuttgart

- Stefan Mappus' Stimme bebte vor Stolz, als er am 6. Dezember 2010 im Foyer des Stuttgarter Landtags vor die Kameras trat. Es war Nikolaus, und der Ministerpräsident persönlich sorgte für die Bescherung. Er werde, sagte er, die Energie Baden-Württemberg (EnBW), Deutschlands drittgrößten Energieversorger, zurückholen in Landeshand. Den 45-Prozent-Anteil des französischen Staatskonzerns Electricité de France (EdF) für 4,7 Milliarden Euro übernehmen, bevor das eine ausländische Heuschrecke tue. Mappus sagte: "Das ist ein guter Tag für unser Land."

Sicherer Strom, billiges Gas, das finde man schon auch gut, murmelte die grün-rote Opposition. Mappus hatte den EnBW-Deal (Codename "Olympia") eingefädelt wie eine geheime Kommandoaktion, vorbei am Landtag. Er hatte alle überrumpelt. Es sah so aus, als sei ihm ein Befreiungsschlag gelungen aus der Not, in die ihn der Streit um Stuttgart 21 gebracht hatte.

Dreieinhalb Jahre später. Stefan Mappus ist tief gefallen. Der EnBW-Deal, der seine politische Karriere retten sollte, bedroht inzwischen seine bürgerliche Existenz. Im März 2011 wurde er abgewählt. Der Staatsgerichtshof urteilte, dass er mit der Umgehung des Landtags gegen die Verfassung verstieß. Dann rügte der Landesrechnungshof, Mappus habe den Unternehmenswert der EnBW nicht sorgfältig genug geprüft. Nun steht ein ungeheuerer Verdacht im Raum: Hat da ein Regierungschef wissentlich sein Land geschädigt? Zu viel bezahlt, nur um im Wahlkampf zu zeigen, dass er auch Wirtschaft kann? Das Landgericht Koblenz hat kürzlich ein Urteil gefällt, das Mappus aufschrecken muss. Wegen Untreue beim Nürburgring-Ausbau soll der frühere rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Fälle sind ähnlich: Auch Mappus hat sich finanziell nicht bereichert. Höchstens politisch. Dennoch ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart seit Sommer 2012 auch gegen ihn wegen Untreue. Alles begann mit einer Razzia in seinem Haus in Pforzheim. Vertraute berichten, seine Familie leide enorm unter der Situation. Dieser Tage erwartet die Staatsanwaltschaft den Ergebnisbericht der Polizei. Nach SZ-Informationen soll sich dann im Herbst entscheiden, ob aus dem Triumphator vom Nikolaustag 2010 ein Angeklagter wird.

Während die juristische Aufklärung andauert, geht die parlamentarische zu Ende. An diesem Mittwoch stimmt der EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtags über seinen Bericht ab, 1500 Seiten dick. Die grün-rote Regierung und die schwarz-gelbe Opposition bewerten das gleiche Material unterschiedlich: Die einen sind überzeugt, dass Mappus viel zu viel bezahlt hat, um sich als Macher zu inszenieren. Die anderen vergeben zwar auch magere Stilnoten an ihren alten Chef - aber Belege für einen überhöhten Preis sehen sie nicht.

Ungefähr so weit waren beide Lager jedoch auch schon, als der Ausschuss seine Arbeit aufnahm. Zweieinhalb Jahre hält das Gremium jetzt Stuttgart und bisweilen die ganze Republik in Atem, etwa als nachzulesen war, dass Mappus' Freund und Bankberater Dirk Notheis die Bundeskanzlerin auch mal gern "Mutti" nennt. Zweieinhalb Jahre tanzt die Landespolitik im Takt mehr oder minder brisanter Enthüllungen, die sich üblicherweise in alten Mappus-Mails verbergen. Wer in diesem Datenschatz wühlen darf, beschäftigt immer noch die Gerichte. Unterwegs hat der Ausschuss einen Vorsitzenden verloren, weil der es für eine gute Idee hielt, seinem Parteifreund Mappus auf einem Autobahnparkplatz Unterlagen zu übergeben.

Verdienstvoll war der Ausschuss zweifellos, er hat zumindest ein wenig Licht gebracht in eine düstere Stunde der Demokratie, in der sich der Ministerpräsident Mappus zur Marionette des Investmentbankers Notheis machen ließ. Aber das Gremium ist auch schmerzhaft an seinen Grenzen gestoßen: Politische und gerichtliche Aufarbeitung waren am Ende ungut verquickt; nicht umsonst beschwert sich Mappus, der auch im politischen Ruhestand gern als Rowdy auftritt, über die ständigen Durchstechereien an die Medien. Einer seiner Anwälte verglich den Ausschuss übermütig mit "Schauprozessen in totalitären Diktaturen".

Richtig ist: Mehr und mehr franste die Sacharbeit in taktische Spielchen aus - mit der Besonderheit, dass sich die in Untersuchungsausschüssen gewohnte Rollenverteilung umkehrte. In Stuttgart quält die Regierung ungeniert die Opposition. Die Regierung Kretschmann fände es hilfreich, wenn das politische Gespenst Mappus die CDU noch bis in den Landtagswahlkampf 2016 verfolgt. Und auch Mappus selbst hat das letzte bisschen Rücksicht auf seine alte Partei aufgegeben.

Schwierige Preisfrage

Dabei ist die zentrale Preisfrage ganz sicher keine, die mit Klarheit beantwortet werden könnte. In den vergangenen Monaten war sie Gegenstand eines wilden Gutachterstreits: Ein Experte der Staatsanwaltschaft berechnete eine Überzahlung von 780 Millionen Euro; ein vom Mappus-Camp bestallter Kollege kam zu Ergebnis, der Preis sei absolut angemessen. Unbeteiligte Sachverständige sagen, verbindliche Aussagen seien wegen der vielen Variablen - etwa der Unternehmensentwicklung - praktisch unmöglich. Der frühere Atomkonzern EnBW ringt schließlich gerade um Akklimatisierung in einem neuen Energiezeitalter. Auf Misstöne, heißt es, könnte man da durchaus verzichten. Zumal der Streit um den Preis einen weiteren Schauplatz hat: das internationale Handelsgericht in Zürich. Dort fordert die Regierung vom Verkäufer, der EdF, 834 Millionen Euro zurück. Manche sagen, das Land mache damit das eigene Unternehmen runter. Ein Urteil wird im Herbst erwartet.

Mappus tut nun das, was ihm am Besten liegt: Er geht in die Offensive. Er hat seine Rechtsberater beim EnBW-Deal verklagt, die Großkanzlei Gleiss Lutz. "Alle - tatsächlichen oder vermeintlichen - Fehler", die Mappus angelastet würden, seien letztlich "direkte Folge der mangelhaften Beratung durch die Beklagten", heißt es in der Klageschrift, die der SZ vorliegt. Gleiss Lutz habe ihn etwa nicht vor der Verfassungswidrigkeit der Landtags-Umgehung gewarnt.

Aus dem Umfeld der Kanzlei hört man indes, dass Notheis die gesamte Kommunikation für Mappus abwickelte. Über den Banker kam wohl die Frage an die Anwälte, ob der Kauf verfassungsrechtlich irgendwie "vertretbar" sei. Wäre es bei dieser Fragestellung verwerflich, dass die Anwälte nur mit einem Ja, aber nicht mit einem risikoaufdeckenden Aber antworteten? Das wird sich zeigen - wenn Mappus überhaupt klageberechtigt ist: Mandant war schließlich die Landesregierung, nicht er. Mit seiner Klage fordert Mappus Schadenersatz für Einkommensverluste. Anfang 2012 hätte Mappus Brasilien-Chef des Pharma-Konzerns Merck werden sollen - bisher war von einem freiwilligen Rückzug die Rede, Mappus habe sich ganz der Verteidigung seiner Ehre widmen wollen. In der Klageschrift heißt es jetzt, dass der Vertrag "auf Verlangen von Merck" beendet worden sei. Seitdem sei Mappus "als freiberuflicher Berater mit weit niedrigerem Einkommen tätig".

© SZ vom 04.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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