Süddeutsche Zeitung

Ex-Leibwächter von Bin Laden:Politik und Justiz streiten über möglichen Rechtsbruch im Fall Sami A.

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Von Constanze von Bullion, Berlin

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) war persönlich über die Pläne für die umstrittene Abschiebung des mutmaßlichen Islamisten Sami A. nach Tunesien informiert. Die Informationen über ein entsprechendes Vorhaben der Bundespolizei "lagen auch dem Minister" vor, sagte eine Ministeriumssprecherin am Montag in Berlin. Seehofer seien auch alternative, spätere Rückführungstermine mitgeteilt worden. Verantwortlich für die Durchführung der Abschiebung aber sei nicht der Bund, sondern das Land Nordrhein-Westfalen. Seehofer habe keinen Druck auf Behörden ausgeübt, um die Abschiebung zu beschleunigen. "Es ist richtig: Ihm war wichtig, dass eine Rückführung von Sami A. zeitnah erfolgt", sagte die Sprecherin. Bedrängt habe Seehofer die Behörden aber nicht: "Es gab keinerlei Einflussnahmen auf einzelne Verfahrensschritte."

Der als islamistischer Gefährder eingestufte Sami A. war am Freitag von Düsseldorf nach Tunesien abgeschoben worden. Ihm wird vorgeworfen, zeitweilig zur Leibgarde des ehemaligen Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden gehört zu haben. Sami A. hat das stets bestritten und bis zuletzt mit drei Klagen seine Abschiebung verhindert. Da ihm in Tunesien Folter drohe, hatten mehrere Gerichte seine Rückführung in der Vergangenheit als rechtswidrig eingestuft. Bundesinnenminister Seehofer hingegen hatte immer wieder auf die Rückführung des Gefährders gedrungen. Die Bundeskanzlerin äußerte sich zuletzt ähnlich. Und im Bamf, dessen Spitze Seehofer kürzlich mit dem CSU-Getreuen Hans-Eckhard Sommer neu besetzt hat, drückte man aufs Tempo. Schon 2014 widerrief die Behörde das Abschiebungsverbot für Sami A. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen widersprach. Das Bamf insistierte. Die Behörde sei nun davon ausgegangen, es gebe kein Abschiebehindernis mehr, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Denn eine Richterin habe es zuvor erlaubt, Sami A. die Abschiebung anzudrohen. Inzwischen hatte allerdings die 7. Kammer des Gerichts den Fall übernommen. Sie hält die Abschiebung für rechtswidrig. Immer wieder soll das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen das Bamf um Information zu Sami A. gebeten haben. Nach Darstellung des Gerichtspräsidenten wurden die Juristen vertröstet und getäuscht. Das Bamf habe vergangenen Donnerstag mitgeteilt, ein für den gleichen Abend vorgesehener Abschiebeflug des Tunesiers sei storniert worden. Laut Bamf sei die Information vom NRW-Integrationsministerium gekommen. Über eine Abschiebung am Freitag habe das Bamf "kein Wort" verloren, so ein Gerichtssprecher. Daher habe das Gericht auf einen Eilbeschluss verzichtet. Als die richterliche Ablehnung einer Abschiebung am Freitagmorgen beim Bamf einging, saß Sami A. schon im Flieger nach Tunesien. Daraufhin ordnete das Gericht an, ihn nach Deutschland zurückzuholen. Die Abschiebung sei grob rechtsstaatswidrig.

Unbehagen bei der Kanzlerin

Regierungssprecher Steffen Seibert ließ am Montag das Unbehagen der Kanzlerin über den Fall erkennen. "Was unabhängige Gerichte entscheiden, das muss gelten", sagte er. Dies sei "konstitutiv" für den Rechtsstaat. Sie stimme dieser Aussage "voll umfänglich" zu, betonte Seehofers Sprecherin. "Wäre der Beschluss bekannt gewesen, hätte diese Abschiebung nicht erfolgen dürfen." Allerdings hätten weder Seehofer noch das Bamf gewusst, dass noch ein Bescheid des Gerichts ausstand. Der genaue Ablauf sei nun zu klären.

Die Bundespolizei teilte unterdessen mit, die Abschiebung sei schon vier Tage zuvor organisiert worden: Vergangenen Montag habe Nordrhein-Westfalen um die Durchführung und die Übermittlung der Flugdaten gebeten. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) sagte, ihm sei bekannt gewesen, dass am Montag ein Flug "gebucht" wurde. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verteidigte seine Regierung gegen den Vorwurf eines vorsätzlichen Rechtsbruchs. "Sie wissen, wann der Bescheid eingegangen ist, nämlich zu spät", sagte er. Das Oberverwaltungsgericht prüft den Fall nun.

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SZ vom 17.07.2018
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