Süddeutsche Zeitung

Ex-Kapitän der Gorch Fock:Voll gegen Guttenberg

Der Ex-Kapitän der Gorch Fock prüft wohl rechtliche Schritte gegen seine Absetzung und die Stammbesatzung bezeichnet die Vorwürfe als "Rufmord". Die Mehrheit der Deutschen will die Gorch Fock trotz des Skandals nicht stilllegen.

Norbert Schatz, der ehemalige Kapitän der Gorch Fock, will seine von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesprochene Abberufung nicht einfach hinnehmen: Er erwägt nach einem Bericht des Focus juristische Schritte.

Einer Suspendierung vom Dienst müsse ein rechtliches Gehör des Betroffenen vorausgehen, sagte der Wilhelmshavener Rechtsanwalt Hans-Joachim Heine, der Schatz vertritt. Ein rechtliches Gehör aber habe es im Fall seines Mandanten nicht gegeben. "Nach allem, was mir bekannt ist, war die Art und Weise der Entlassung grob fürsorgewidrig", sagte Heine. Der Vertragsanwalt des Bundeswehrverbandes wolle sich womöglich an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wenden, damit dieses die Rechtswidrigkeit der Suspendierung feststelle.

Guttenberg hatte Schatz von seinem Kommando entbunden, nachdem Vorwürfe laut geworden waren, Vorgesetzte hätten Kadetten an Bord drangsaliert. Der frühere Kommandant der Gorch Fock, Hans von Stackelberg, bezeichnete es in dem Bericht als "Schande", dass der bereits entmachtete Kapitän Schatz über Tage wie ein geprügelter Hund auf dem Schiff ausharren musste. Für einen Kommandanten gebe es nichts Schlimmeres. Entweder hätte man den Kommandanten sofort in ein Flugzeug nach Deutschland beordern oder ihm das Kommando für die sofortige Rückkehr der Gorch Fock erteilen müssen.

"Nicht angefasst, nicht belästigt"

Nun meldet sich in der Affäre auch erstmals die Stammbesatzung offiziell zu Wort - in einem offenen Brief an Verteidigungsminister Guttenberg. Darin wird die vorläufige Absetzung von Kapitän Norbert Schatz als "Abservierung" kritisiert.

"Wir, die Stammbesatzung der Gorch Fock, fühlen uns sehr alleine gelassen. Auch fehlte uns der Rückhalt unserer übergeordneten Dienststellen, welche sich zu keiner Zeit vor uns stellten oder sich nach unserem Befinden erkundigt haben", heißt es in dem Schreiben.

Die Anschuldigungen von Offiziersanwärtern seien bisher nicht bestätigt. Der Vorwurf, die Ausbilder seien Menschenschinder, sei Rufmord. Zu keiner Zeit sei "an Bord ein Soldat von einem anderen angefasst oder gar sexuell belästigt" worden.

Im Verteidigungsministerium wurde nach Angaben von dpa die Existenz des offenen Briefes bestätigt. Seit Freitag untersucht eine Kommission unter der Leitung von Marineamtschef Horst-Dieter Kolletschke die Vorwürfe. Er berichtete nach einem ersten Eindruck von Bord, die Stammbesatzung sei kooperativ.

Im südargentinischen Ushuaia, wo die Gorch Fock derzeit im Hafen liegt, sagte Kolletschke: "Ich bin zuversichtlich, dass diese Untersuchung zu einem guten Ende kommen wird." Er habe nur den Auftrag, die Vorwürfe nach dem tödlichen Unfall einer 25 Jahre alten Kadettin im November zu klären, nicht aber den Unfall selbst. Auf die Frage, ob Schatz sein Kommando schon an den ebenfalls nach Ushuaia gereisten früheren Kommandanten Michael Brühn übergeben habe, antwortete Kolletschke: "Es wird keinen Kommandowechsel geben." Schatz sei lediglich für eine Zeit von seinen Pflichten entbunden. Der Dreimaster soll am 30. Januar aus dem Hafen von Ushuaia auslaufen - mit dem Untersuchungsteam an Bord, das etwa 14 Tage bleiben will. Ende April oder Anfang Mai wird die Gorch Fock in Deutschland erwartet.

Marineinspekteur Schimpf griff unterdessen die Medien in der Gorch-Fock-Affäre scharf an. "Teilweise war das reiner Sensationshunger", sagte der Vizeadmiral der Tageszeitung Die Welt. "Bisher gab es nur einseitige Beschreibungen von Vorwürfen, ohne dass die andere Seite schon hätte gehört werden können." Die Absetzung des Kommandanten Schatz verteidigte er aber. Aufgrund der massiven Anfeindungen sei es Pflicht gewesen, ihn bis zum Abschluss der Ermittlungen von seinen Pflichten zu entbinden.

Der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki dagegen attackierte Verteidigungsminister Guttenberg für die Entscheidung, weil Schatz kein rechtliches Gehör eingeräumt worden sei: "Ein Dienstherr, der sich so verhält, verrät die Grundsätze eines Rechtsstaates, auf dessen Verteidigung die Rekruten vereidigt werden".

In der Union ist man sich uneins, ob das Ausbildungsschiff weiter betrieben werden soll. Der CDU-Außenexperte Ruprecht Polenz stellte den weiteren Einsatz der Gorch Fock infrage. "Gerade in Zeiten, in denen wir über eine kräftige Verkleinerung der Bundeswehr und weitere Sparbemühungen debattieren, wäre es unverständlich, ausgerechnet die Gorch Fock unbedingt weiter in Betrieb zu halten", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Financial Times Deutschland.

Der Chef der Jungen Union und außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, widerspricht der Auffassung von Polenz. Missfelder sagt zu sueddeutsche.de: "Nach Abschluss der Überprüfung und nach Auswertung des Untersuchungsberichtes spricht aus meiner Sicht vieles dafür, die Gorch Fock wieder in Betrieb zu nehmen." Das 1958 gebaute Schiff "bleibt das Symbol der Nachkriegszeit und einer modernen Bundeswehr", sagte Mißfelder. Das gelte weiterhin, "auch wenn ihr Ruf durch die Skandale Schaden genommen hat."

Trotz der ungeklärten Todesfälle und Schinder-Vorwürfe will denn auch die Mehrheit der Deutschen laut einer Umfrage die Gorch Fock nicht stilllegen. Nach der Emnid-Erhebung für die Bild am Sonntag sprachen sich 51 Prozent der Bundesbürger dafür aus, das Segelschulschiff weiter zu betreiben. 37 Prozent sind für einen Verkauf des Schiffes.

Die meisten Anhänger hat das Bundeswehr-Schiff bei Anhängern von CDU und CSU. Hier plädierten 63 Prozent für einen Weiterbetrieb und nur 30 Prozent für eine Stilllegung. Die Absetzung des Kapitäns halten 60 Prozent der Bundesbürger für richtig. 31 Prozent sind der Meinung, Guttenberg habe falsch gehandelt.

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