Ex-Geheimagent vor Gericht:Mauss wähnt sich "in einer Falle"

Hauptverhandlung gegen Ex-Agent Werner Mauss

Die einzigen Fotos vom Prozess: Werner Mauss am ersten Verhandlungstag im September 2016, eingehüllt in eine dunkle Steppjacke samt Kapuze.

(Foto: dpa)
  • Im Prozess wegen angeblicher Steuerhinterziehung wendet sich Ex-Agent Werner Mauss verzweifelt ans Gericht.
  • Mauss möchte erreichen, dass ein weiterer Zeuge gehört wird, doch das Gericht will seiner Strategie nicht folgen.
  • Überraschend wird bekannt, dass Mauss unter einem Decknamen seit 18. Januar 2017 mit Hauptwohnsitz an einer Münchner Adresse gemeldet ist.

Von Ralf Wiegand, Bochum

Seit einem halben Jahr steht der Privatagent Werner Mauss nun schon vor Gericht, um sich gegen den Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung zu verteidigen. Es ist ein tiefer, beinahe nicht enden wollender Exkurs in die Welt des Geheimen und Scheinbaren, mit falschen Namen, verdeckten Konten, gezielter Legendenbildung, ein inzwischen sogar verzweifelter Versuch, den wahren Kern hinter einer in mehr als 50 Jahren sorgsam aufgebauten Fassade zu ergründen.

Werner Mauss galt in der Hochzeit seines Schaffens als Phantom, von dem nicht einmal ein Bild existierte, das dafür aber mehr als 30, vielleicht sogar mehr als hundert Namen benutzte. An diesem Montag schloss Mauss, 77 Jahre alt und nach eigener Einschätzung ein Träger wichtigster, staatsschützender Geheimnisse, nicht mehr aus, "in einer Falle" zu sitzen. Das Gericht möge ihm bitte heraushelfen, flehte Mauss in einer von seinem Anwalt verlesenen persönlichen Erklärung, indem es diesen einen Zeugen doch bitte, bitte noch anhören möge. Die Wahrheitsfindung dürfe nicht daran scheitern, "dass dieser Zeuge nicht vernommen wird".

Werner Mauss läuft die Zeit davon

Bisher hat der Vorsitzende der 2. Großen Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Bochum abgelehnt, diesen Zeugen, angeblich einen Mitarbeiter eines "angesehenen ausländischen Geheimdienstes", so Mauss' Anwälte, ins Ruhrgebiet zu zitieren. Die Hürde, für alle diesen Zeugen betreffenden Komplexe vor Gericht die Öffentlichkeit umfangreich auszuschließen, wie es Mauss wollte, war den drei Berufsrichtern unter Leitung von Markus van den Hövel und den beiden Laienrichtern zu hoch. Mauss' flammender Appell sollte nun den Boden bereiten, damit ein neu formulierter Antrag der Verteidigung auf Zeugenvernehmung auf fruchtbareren Boden fällt.

Werner Mauss läuft die Zeit davon. In jeder Stellungnahme formuliert das Gericht inzwischen seine Ablehnung, der Strategie des Ex-Agenten folgen zu wollen. Der begründet seit Beginn der Ermittlungen gegen ihn seine Unschuld damit, dass das Geld, für das er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft mehr als 16 Millionen Steuern schuldig ist, gar nicht ihm gehöre. Ein Geheimbund westlicher Dienste habe es ihm zur Verfügung gestellt.

Die ganze Beweisführung der Verteidigung basiert darauf, die Existenz dieses geheimnisvollen Fonds, gefüllt mit ausländischem Geld und gedacht ausschließlich für die weltweiten Aktionen des deutschen Agenten, zu belegen. Das Gericht aber sagt: Selbst wenn es diesen Fonds geben sollte, sei noch lange nicht erwiesen, dass das zur Rede stehende, über Jahre nicht versteuerte Vermögen auch tatsächlich daraus stamme. Die Fondsgründung soll im Jahr 1985 in Panama stattgefunden haben, die Steuerhinterziehung in den Jahren ab 2002 beim Finanzamt Essen-Süd.

Das Gericht hat offenbar genug gehört

Alle Verbindungen zwischen dem inkriminierten Vermögen und dem Geheimfonds hält das Gericht für "reine Spekulation", der es nicht folge. Es tendiert ganz offensichtlich zur Ansicht des Staatsanwalts, für die es genau einen wirtschaftlich Berechtigten der lukrativ angelegten Millionen gibt: Werner Mauss persönlich. Mit dieser Begründung lehnte es auch an diesem Montag wieder etliche Zeugen ab, die Mauss in seinem langen Leben als Agent und offenbar gewieftem Finanzjongleur begegnet sein sollen und angeblich über die Existenz des Fonds Bescheid wussten.

"Irrelevant" für die Beweisführung, findet das Gericht. Hält es diese Ansicht durch, gäbe es auch wenig Gründe, einen Geheimdienstler aus dem angeblichen Geheimbund und dessen Finanzierung zu befragen. Nur noch bis 24. April, so Richter van den Hövel, will er die Beweisaufnahme überhaupt offen lassen. Bisher hat Mauss beständig auf Zeit gespielt, jetzt tickt die Uhr.

Das Gericht hat offenbar genug gehört, auch wenn zwischen den sich ständig wiederholenden Lobpreisungen von Mauss über Mauss ("Ich habe Feinde zu Freunden gemacht") gelegentlich überraschende Neuigkeiten zur Sprache kommen. An diesem Montag sorgte dafür das Bundeskriminalamt (BKA), das der Staatsanwaltschaft Bochum einen Brief geschrieben hat. Darin weist die Behörde einerseits die von Mauss aufgebrachte Theorie zurück, dass beim BKA Akten über ihn geführt worden seien, die seine Version von der Geheim-Finanzierung durch ausländische Dienste belegen. Weder existierten entsprechende Akten noch habe das BKA von einem solchen Fonds Kenntnis gehabt, ehe sie von Mauss' Anwälten davon erfahren hätte, schrieb die Behörde.

Stattdessen erweiterte sie das ohnehin schon sehr komplexe Identitäten-Organigramm des Werner Mauss um eine weitere, bisher nicht bekannte Münchner Variante: Vom Kreisverwaltungsreferat (KVR) München habe das BKA erfahren, dass Mauss unter dem Namen Claus Möllner seit 18. Januar 2017 mit Hauptwohnsitz an einer Münchner Adresse gemeldet sei. Die Wohnung gehöre einem ehemaligen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, heute 79 Jahre alt. Da dass BKA davon ausgehe, dass Mauss/Möllner dort aber gar nicht wohne, habe es das KVR in München gebeten, einen Verstoß gegen das Bundesmeldegesetz zu prüfen.

Mauss selbst hatte erst an diesem Montag wieder sein Anwesen im Hunsrück als "Mittelpunkt seiner großen Familie" bezeichnet. Wozu eine Meldeadresse in München dienen könnte, warum er während des laufenden Verfahrens gegen ihn dort mit einer seiner Schein-Identitäten scheinbar hingezogen sein soll? Der Prozess wirft eher neue Fragen auf, als dass er welche beantwortet. Für ein bisschen Aufklärung will das BKA nun selbst sorgen: Das BKA selbst habe Mauss lediglich in den 1970er und 1980er Jahren bei der Beschaffung von Schein-Identitäten geholfen. Die heute noch existierenden Pässe auf Tarnnamen, teilten die Kriminaler der Staatsanwaltschaft mit, würden nun überprüft.

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