Ex-FBI-Chef James Comey:"Ich schäme mich für die Republikaner"

Former FBI Director Comey Speaks In Berlin

Ex-FBI Direktor James Comey bei seinem Auftritt in Berlin.

(Foto: Getty Images)
  • Bei seinem einzigen Auftritt in Deutschland rechnet Ex-FBI-Chef James Comey erneut mit Donald Trump ab.
  • Der Präsident umgarne seine Zuhörer mit einem Kokon aus alternativen Fakten und dulde keinen Widerspruch.
  • Die Zukunft der USA betrachtet er trotzdem optimistisch: Auch die Zeit von Trump gehe vorbei.

Von Matthias Kolb, Berlin

James Comey wird verfolgt. Wo der Ex-Direktor der US-Bundespolizei FBI auch hinkommt, überall wartet Donald Trump. Untrennbar sind Leben und Karriere Comeys mit dem amtierenden US-Präsidenten verbunden und sein einziger öffentlicher Auftritt in Deutschland ist da keine Ausnahme.

Michael Steinberg, der Präsident der American Academy, lobt in Berlin zur Begrüßung im Kino International besonders das Kapitel in Comeys Bestseller "Größer als das Amt", das sich um die Bedeutung des Zuhörens dreht. Für jede Art von Beziehung sei dies wichtig, sagt Steinberg.

Viele Zuhörer werden dabei an das angespannte deutsch-amerikanische Verhältnis gedacht haben, das Trump an diesem Tag weiter belastet. Zwei Mal wiederholt er die falschen Aussagen über die Kriminalität, die in Deutschland wegen der Aufnahme von Hunderttausenden Flüchtlingen angeblich gestiegen sei.

Ob Comey den Ausgang der Wahl beeinflusst hat, wird wohl nie zu klären sein

Dass der Egozentriker Trump kein guter Zuhörer ist, weiß gerade Comey aus leidvoller Erfahrung, doch erst nach einer halben Stunde kann der 57-Jährige erläutern, wieso der 45. US-Präsident "moralisch unfit" für sein Amt ist. Und weshalb gerade deshalb eine Absetzung per Amtsenthebung (Impeachment) die Probleme der US-Gesellschaft nur verstärken würde. Denn Holger Stark, Chef des Investigativ-Ressorts der Zeit, lässt Comey zunächst von den Ermittlungen des FBI gegen Hillary Clinton berichten.

Die Frage, ob Comey durch seine Äußerungen Ende Oktober 2016 den Ausgang der Wahl beeinflusst hat, wird wohl nie zu klären sein. "Ich bete und hoffe, dass das nicht so war", sagt Comey dazu und schildert, wie oft er zwischen einer "schlechten" und "sehr schlechten" Option wählen musste. Um das Vertrauen in das FBI zu bewahren, entschloss er sich, ohne seine Vorgesetzte Loretta Lynch zu verkünden, dass Clinton nicht angeklagt werde. Die Justizministerin hatte sich Tage zuvor mit Ex-Präsident Bill Clinton länger in einem FBI-Flugzeug getroffen.

Damals tobten Trump und die Republikaner, aber Comey war überzeugt, dass dieses Thema abgeschlossen sei. Es kam anders - und im Oktober musste er zwischen den Möglichkeiten "sehr schlecht" und "katastrophal" wählen. Auf dem Computer des Ehemanns der Clinton-Vertrauten Huma Abedin waren Tausende E-Mails aufgetaucht - gerade jene aus der Anfangszeit der Ex-Senatorin als Außenministerin. Also informierte Comey kurz vor dem Wahltermin den Kongress, weil es ihm unvereinbar mit der Überparteilichkeit des FBI schien, so etwas zu verbergen.

Comey: Es gab und gibt keine Verschwörung im FBI

Dass das US-Justizministerium jüngst in einem Bericht über die Clinton-Untersuchung sein Verhalten als "ungehorsam" kritisiert hatte, akzeptiert er. "Ich habe meine Chefs nicht informiert, das kann man als 'aufsässig' interpretieren", sagt Comey und wiederholt, was er in der New York Times schrieb: Er würde wieder genauso handeln. Entscheidend sei, dass die internen Kontrolleure keine Belege für fehlerhafte Ermittlungen gefunden hätten und dass das Vorgehen nicht politisch motiviert gewesen sei. "Eine Verschwörung gab es nicht", sagt Comey, auch wenn ihn die trumpkritischen Nachrichten zweier Mitarbeiter ("Könnte Trump tatsächlich Präsident werden?" - "Wir werden ihn stoppen") sichtlich ärgern.

Angesichts seines Zerwürfnisses mit Trump und den pikanten Details, die er im Buch offenlegt, gerät diese Vorgeschichte leicht in Vergessenheit - aber Comey ist es enorm wichtig, jene Ausnahmesituation zu schildern, in der er sich befand. "Ich habe es geschafft, dass alle Seiten sauer auf mich sind", sagt Comey sarkastisch. Er sieht dies offensichtlich als Beleg für seine Unabhängigkeit.

Das Trump-Lager verhalte sich wie die Mafia

Geduldig hört das Publikum zu, aber natürlich will es vor allem wissen, wie es weitergehen wird mit Trump - und wie es damals war. Ausführlich schildert Comey deshalb, wie er am 6. Januar 2017 den designierten Präsidenten im Trump Tower das erste Mal traf. Es ging den Chefs der US-Geheimdienste darum, Trump und sein Team über die Erkenntnisse über die versuchte russische Wahl-Einmischung zu informieren. Die Reaktion entsetzte Comey: Trumps Leute redeten sofort über Pressemitteilungen - und nicht über die Frage, wie man die US-Demokratie schützen könne.

Damals sei ihm erstmals der Mafia-Vergleich gekommen: Wie die Cosa Nostra trenne das Trump-Lager die Welt in "wir gegen sie" und verlange völlige Loyalität. Dass im Trump Tower so offen vor den Chefs der US-Dienste über die beste PR-Strategie geredet wurde, konnte für Comey nur eins bedeuten: "Sie versuchten gerade, uns zu ihren Freunden zu machen." Dass ihm die "großartige Aufgabe" zukam, Trump über das Steele-Dossier und die dort gesammelten Gerüchte über russische Prostituierte und "goldene Duschen" zu informieren, prägte das spätere Verhältnis.

"Kokon aus alternativen Fakten"

Comey schildert einen ständigen Kampf um mehr Distanz, die Trump wiederum nicht zulassen wolle. Nachdem er den damaligen Stabschef Reince Priebus gedrängt habe, das FBI künftig nur über das Justizministerium zu kontaktieren, habe dieser genickt - und Comey ins Oval Office geschoben. "Trump hat diese eine Masche: Er redet ununterbrochen und stellt lauter Vermutungen an. Er umspinnt dich mit einem Kokon aus alternativen Fakten, wenn es dir nicht gelingt, ihm zu widersprechen", erzählt Comey.

Ein Schauspieler liest Passagen über Comeys berühmt gewordenes Abendessen im Weißen Haus, bei dem es zwei Kugeln Vanilleeis zum Nachtisch gab und Trump vom FBI-Chef "Loyalität" einforderte. Hier zeigt sich, dass Comey ein guter Autor ist ("Er trug wie üblich einen dunkelblauen Anzug, weißes Hemd und seine zu lange rote Krawatte. Mit den Kellnern wechselte er kein einziges Wort."). Vor allem aber wird deutlich, dass die Zeiten nicht normal sind, wenn ein US-Präsident die Unabhängigkeit des Inlandsgeheimdienstes nicht akzeptieren will.

Anders als Michael Wolff, der Autor von "Fire and Fury", glaubt Comey nicht, dass es Trump an mentaler Eignung fürs Präsidentenamt mangelt. Er hält ihn für "moralisch unfit", weil der 72-Jährige permanent Lügen verbreite, rassistische Aussagen toleriere und etwa "Frauen behandelte, als wären sie ein Stück Fleisch". Lange Zeit seines erwachsenen Lebens sei er selbst Mitglied der konservativen Partei gewesen, erzählt Comey, doch dies sei vorbei: "Ich schäme mich für die Republikaner." Es betrübe ihn, dass so wenige Konservative den Mut hätten, Trump zu widersprechen, wenn dieser die Medien attackiere oder den Rechtsstaat untergrabe.

Comey sieht die Bürger in der Pflicht

Trotz alledem zeigt sich Comey in Berlin als typischer Amerikaner, also als Optimist. Vor den Publikumsfragen wird eine weitere berühmte Passage gelesen: "Ja, unser gegenwärtiger Präsident wird auf kurze Sicht erheblichen Schaden anrichten. Normen und Traditio­nen, die für unsere Demokratie wichtig sind, werden ganz oder teilweise den Flammen zum Opfer fallen. Andererseits: Bei all dem Schlimmen, das ein Flächenbrand anrichten kann, bringt er doch auch neues Wachstum hervor."

Amerikanerinnen und Amerikaner seien nun gefordert, neue Führungspersönlichkeiten zu wählen, die Moral und die alten Werte zurückbringen würden. Auch deswegen hoffe er nicht auf ein Impeachment: "Trump muss abgewählt werden oder nicht mehr antreten, aber es darf kein Gerede über einen angeblichen Putsch geben." Positive Anzeichen sieht Comey viele: "Es kandidieren so viele Frauen für öffentliche Ämter, dass sie einander auf den Füßen stehen - und die aktuellen Proteste von Schülern gegen Waffengewalt, so etwas hat es in meinem Leben nie gegeben."

Auch für jene Zuhörer, die davon berichten, dass Freunde in den USA nicht kämpferisch, sondern "ausgelaugt und frustriert" wirken und sich um den Fortbestand der US-Demokratie sorgen, hat James Comey eine aufmunternde Botschaft: "Kein Präsident regiert lange genug, um die Kontrollmechanismen zu zerstören." Er wisse dies aus eigener Erfahrung - er habe in seiner vierjährigen Amtszeit das FBI modernisieren und mehr Frauen und Minderheiten anheuern wollen: "Ich habe jeden Tag dafür gearbeitet und den Kurs des Tankers um einige Zentimeter verändert."

Es gebe eine Zeit nach der Präsidentschaft von Donald Trump, versichert Comey, und gibt dem Publikum einen Satz mit auf den Heimweg: "Auch dies wird vorbeigehen und alles wird okay sein."

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