Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:CSU geht auf Distanz zu Viktor Orbán

Lesezeit: 2 min

Von Daniel Brössler und Robert Roßmann, Berlin

Die Europäische Volkspartei (EVP) und die deutsche CSU gehen auf Distanz zum ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Manfred Weber, CSU-Vize und Spitzenkandidat der EVP bei der Europawahl, sagte der Süddeutschen Zeitung, Teile von Orbáns jüngster Rede zur Lage der Nation und Orbáns Plakatkampagne gegen EU-Kommissions-Chef Jean-Claude Juncker hätten "in der EVP großes Unverständnis und Verärgerung" ausgelöst. Er halte "manche Formulierungen für inakzeptabel". Man könne nicht wie Orbán "der EVP angehören und gegen den amtierenden EVP-Kommissionspräsidenten Wahlkampf machen, das geht nicht".

Orbán müsse "erkennen, dass er sich derzeit immer weiter von der EVP entfernt", sagte Weber, der auch der nationale Spitzenkandidat von CDU und CSU ist. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) äußerte sich ähnlich. Er sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der von Viktor Orbán eingeschlagene Weg gehe "leider in die falsche Richtung". Die Äußerungen Webers und Söders offenbaren einen Kurswechsel der CSU. Bisher hatte die Partei Orbán eher hofiert und ihn beispielsweise zu Klausurtagungen eingeladen.

Bislang hatte Weber versucht, einen Bruch zu vermeiden

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die schon bisher ein distanziertes Verhältnis zu Orbán hatte, kritisierte ihn am Donnerstag indirekt. Sie wolle zu Orbáns jüngsten Äußerungen nur sagen, dass "Jean-Claude Juncker meine volle Solidarität hat", sagte Merkel in Berlin. Dies werde man auch in den Gesprächen mit Ungarn so deutlich machen.

Orbán regiert in Ungarn mit einer Zweidrittelmehrheit und hat nach Einschätzung des EU-Parlaments Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in seinem Land ausgehöhlt. Das Parlament empfahl daher im September die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens. Dafür stimmte mehrheitlich auch die EVP, wobei Weber als einziger CSU-Abgeordneter für die von Orbán heftig kritisierte Empfehlung votierte. Seit Jahren lösen Orbáns nationalistisch gefärbte Kampagnen gegen Migranten, die EU-Kommission und vor allem gegen George Soros, einen Finanzinvestor und Philanthropen ungarisch-jüdischer Herkunft, auch innerhalb der EVP Empörung aus. Bislang hatte Fraktionschef Weber allerdings versucht, einen offenen Bruch zu vermeiden.

Im Zuge der neuerlichen Attacken gegen Juncker und Soros war der Druck, sich von Orbán abzugrenzen, zuletzt aber gestiegen. "Ich finde, dass die Konservativen in Ungarn die christdemokratischen Werte in keiner Weise vertreten. Es gibt zwischen Herrn Orbán und mir überhaupt keine Schnittmenge", hatte Juncker, ein luxemburgischer Christsozialer, klargestellt.

Für die EVP geht es in dem Konflikt auch um die künftigen Kräfteverhältnisse in Brüssel. Zwar hatte Premier Orbán in den vergangenen Jahren rhetorisch die Nähe zu Nationalisten und Rechtspopulisten etwa in Polen und Italien gesucht, bei Entscheidungen im Rat allerdings vielfach mit den christdemokratischen Regierungschefs abgestimmt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4339769
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.02.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.