Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Orbáns Ausschluss aus der EVP ist überfällig

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Ungarns Premier handelt weder christlich noch konservativ, sondern freiheitsfeindlich. Er muss endlich die Konsequenzen spüren.

Kommentar von Stefan Ulrich

Unfassbar lange hat die christdemokratisch-konservative Europäische Volkspartei (EVP) Geduld mit dem ungarischen Premier Viktor Orbán geübt. Denn Orbán und seine Mitstreiter, die gegen Flüchtlinge hetzen, Roma ausgrenzen und den Nationalismus befeuern, sind dezidiert unchristlich. Christus hat Arme und Verfolgte willkommen geheißen. Und Christus war alles andere als ein Nationalist.

Auch konservativ sind Orbán und seine Fidesz-Partei nicht: Sie wollen die auf Freiheit, Rechtsstaat, Pluralismus, Toleranz und Zusammenarbeit der Völker gegründete Ordnung der Europäischen Union nicht bewahren, sondern zerstören. Orbáns Plädoyer für eine "illiberale Demokratie" atmet den autoritär-freiheitsfeindlichen Ungeist des untergegangenen Sowjetreichs.

Orbáns Politik gefährdet die Unabhängigkeit der Justiz, beeinträchtigt die Freiheit und Vielfalt der Medien, Lehre und Forschung und finanziert mit Steuergeld Kampagnen gegen die EU und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, während sie zugleich Milliarden an Hilfen von der EU kassiert. Das ist schäbig und müsste jetzt zum Rausschmiss der Fidesz aus der EVP führen.

Christdemokraten und Konservative schreckten lange davor zurück. Die bayerische CSU empfing Orbán sogar immer wieder als eine Art Ehrengast, um sich opportunistisch in dessen Populistenglanz zu spiegeln. Wenigstens der CSU-Politiker und EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber wagte immer wieder Distanz zu und Kritik an Orbán. Jetzt geht er den ungarischen Populisten frontal an und stellt fest, was offenkundig ist: dass dieser sich immer weiter von der EVP entfernt. Als Nächstes muss die Trennung folgen. Denn es darf nicht zusammenbleiben, was nicht zusammengehört.

Natürlich gibt es Argumente gegen einen solchen Schritt. Orbán könnte sich dem Lager rechtsextremer EU-Skeptiker und -Feinde um den Italiener Matteo Salvini anschließen. Doch ist es nicht besser, seinen Gegnern offen gegenüberzustehen, als sie in den eigenen Reihen wühlen zu lassen? Die EVP und Weber brauchen womöglich die Stimmen der Fidesz-Partei, um das Amt des Kommissionspräsidenten zu erringen. Doch will, darf man die wichtigste Personalie der EU von einem Europaverächter abhängig machen?

Ein Ausschluss Orbáns und seiner Fidesz könnte die Entfremdung Westeuropas zu anderen zunehmend autoritär-nationalistisch regierten Ländern im Osten wie etwa Polen beschleunigen. Doch tragen diese Länder das Projekt Europa überhaupt noch mit, sofern es nicht nur um ihre wirtschaftlichen Vorteile geht?

In Wahrheit sind Ungarn oder Polen in einer Verfassung, in der sie der EU nicht mehr beitreten dürften. Ihre Regierungen verspotten die Werte der Freiheit, der Toleranz und Solidarität, auf die die Europäische Union ihre Mitglieder verpflichtet. Es ist unendlich traurig, dass die Regierungen in Budapest, Warschau und anderswo Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nun eine ideologische Mauer zwischen Ost und West hochziehen. Es gefährdet die Zukunft der Menschen auf dem ganzen Kontinent und macht eine engere, bessere Zusammenarbeit der EU auf Dauer unmöglich.

Die Gefahr und die Konsequenzen dieser Politik müssen allen Regierungen und allen Bürgern klargemacht werden. Ein Ausschluss der Fidesz-Partei aus der EVP ist auch deshalb überfällig.

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Quelle:
SZ vom 22.02.2019
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