Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Fidesz verlässt offiziell EVP

Viktor Orbán macht ernst: Ungarns Regierungspartei zieht sich aus der Europäischen Volkspartei zurück, der auch CDU und CSU angehören.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Die ungarische Regierungspartei Fidesz hat ihre Mitgliedschaft in der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) niedergelegt. Ein entsprechender Brief wurde am Donnerstag auf Twitter veröffentlicht. Diesen Schritt hatte Premier Viktor Orbán angekündigt, nachdem die EVP-Fraktion im EU-Parlament ihre Geschäftsordnung so geändert hatte, um eine komplette Delegation ausschließen zu können. Für diesen Kurs hatte auch EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) geworben und sich letztlich durchgesetzt.

Fidesz war wegen ihres zunehmend autoritären Kurses und der Aushöhlung des Rechtsstaats in Ungarn schon im März 2019 von der EVP, der auch CDU und CSU angehören, suspendiert worden. Im November 2020 war der Dauerkonflikt zwischen der EVP und Fidesz eskaliert: Premier Orbán hatte den EU-Haushalt und das Corona-Wiederaufbaupaket wochenlang blockiert, um mit Polen eine Bindung der EU-Fördergelder an Rechtsstaatlichkeit zu verhindern. Zudem hatte der Europaabgeordnete Tamas Deutsch, ein Vertrauter Orbáns, den EVP-Fraktionschef Weber mit der Gestapo und dem Geheimdienst im stalinistischen Ungarn in Verbindung gebracht.

Kurz vor Weihnachten hatten CDU und CSU zum wiederholten Male eine klare Positionierung vermieden, damit Orbán einem Kompromiss auf EU-Ebene zustimmt. Auch in Berlin und München nahm der Frust zu über die Dauerprovokationen und undemokratischen Maßnahmen aus Ungarn. Zudem wuchs die interne Kritik an den deutschen Christdemokraten, die sich seit Jahren schützend vor Fidesz gestellt hatten. Andere EVP-Parteien machten klar, dass sie austreten könnten, wenn Fidesz bleibt.

Anfang März stimmten auch die deutschen Europaabgeordneten von CDU und CSU mehrheitlich für die neue Geschäftsordnung - und damit für den Bruch mit Fidesz. Dies geschah mit Billigung des neuen CDU-Parteichefs Armin Laschet sowie durch den CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Dieser hatte in der Süddeutschen Zeitung kürzlich mit Fidesz gebrochen, nachdem Orbán für den Aufbau einer "neuen europäischen Rechten" geworben hatte. Wörtlich sagte Söder: "Wir dürfen die Suspendierung nicht endlos verlängern, sondern müssen als Parteien getrennte Wege gehen."

Sebastian Kurz war einer der letzten Unterstützer Orbáns

EVP-Chef Donald Tusk, der seit Herbst 2019 im Amt ist und stets für einen Rauswurf von Fidesz geworben hat, reagierte ebenfalls per Tweet: "Fidesz hat nun die Christdemokratie verlassen. In der Realität haben sie dies schon vor vielen Jahren getan." Auch der Österreicher Othmar Karas, einer der Vizepräsidenten des Europaparlaments und zugleich ein scharfer Fidesz-Kritiker in der Fraktion, nannte den Schritt "logisch und überfällig", Orbán sei "mit seiner Politik schon vor Jahren geistig ausgetreten".

Karas war der einzige ÖVP-Abgeordnete, der für die Änderung der Geschäftsordnung stimmte - alle anderen Christdemokraten folgten der Maßgabe von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der mit Sloweniens umstrittenen Premier Janez Janša der letzte Unterstützer Orbáns in der EVP war. Sehr zufrieden ist auch Dennis Radtke (CDU), der als einziger Deutscher in der EVP-Fraktion offen den Ausschluss der ungarischen Partei gefordert hatte: "Das Thema hat uns wie ein Mühlstein um den Hals gehangen. Jetzt ist klar: Christdemokratie ist vielfältig, aber nicht beliebig."

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