Kirche:EKD regelt Zahlungen für Missbrauchsbetroffene neu

Landesbischof Bedford-Strohm besucht JVA an Weihnachten

EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm bei einer Ansprache.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Die Evangelische Kirche in Deutschland verabschiedet ein einheitliches Verfahren für Anerkennungsleistungen - die Betroffenen sollen das ihnen angetane Leid ausdrücklich nicht beweisen müssen.

Von Annette Zoch

Die Evangelische Kirche in Deutschland will Zahlungen an Betroffene sexualisierter Gewalt einheitlich regeln. Eine entsprechende Musterordnung, die für alle 20 Landeskirchen gelten soll, verabschiedete die Kirchenkonferenz einstimmig, teilte die EKD am Dienstag mit. Damit setze die evangelische Kirche einen Beschluss der Synode der EKD um, den diese im November 2019 in Dresden gefasst hatte.

"Mit der Musterordnung können wir dem Anspruch, den Betroffene auf transparente vergleichbare Verfahren in allen Landeskirchen haben, künftig besser gerecht werden", sagte der Sprecher des Beauftragtenrats zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns. Derzeit seien die Verfahren und Strukturen in den Landeskirchen sehr unterschiedlich.

Die Voraussetzungen für eine Anerkennungsleistung wurden nach EKD-Angaben präzisiert und transparenter dargestellt. Eine Beweislast für die Betroffenen werde es ausdrücklich nicht geben - ein solcher Passus war vereinzelt in Entwürfen von landeskirchlichen Musterordnungen aufgetaucht. Als "wichtig" bezeichnet das Katharina Kracht, ehemaliges Mitglied im aufgelösten EKD-Betroffenenbeirat. "Dass dies jetzt in der Musterordnung steht, ist aber nur dem Druck von Betroffenen zu verdanken."

Ferner sollen die "Unabhängigen Kommissionen", die bisher in den Landeskirchen für Anträge auf Anerkennungsleistungen zuständig waren, in "Anerkennungskommissionen" umbenannt werden, um deren Funktion deutlicher hervorzuheben.

Auch die Höhe der Anerkennungsleistungen werde nun einheitlich geregelt, so Meyns. Die Musterordnung sieht vor, dass die Höhe der Leistung grundsätzlich mindestens 5000 Euro und maximal 50 000 Euro betragen soll. Innerhalb dieses grundsätzlichen Rahmens soll sich die Höhe an von staatlichen Gerichten zuerkannten Schmerzensgeldzahlungen in vergleichbaren Fällen orientieren. Bei den Zahlungen orientiert sich die EKD nun ausgerechnet an dem Verfahren der katholischen Kirche, das derzeit scharfe Kritik auslöst. Betroffene kritisieren es als zu langwierig, zudem als intransparent und wenig nachvollziehbar, nur selten würden die hohen fünfstelligen Summen ausgezahlt. Die katholischen Bischöfe kündigten an, zwar grundsätzlich an dem Verfahren festhalten, es aber prüfen zu wollen.

"Hier fehlen immer noch Standards zu Transparenz"

"Die Vergleichbarkeit der Verfahren ist ein Versprechen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es auch eingelöst wird", sagt Katharina Kracht. "Vor Ort gibt es immer noch keine Standards für die Ansprechpartner. Betroffene werden nun in die Verfahren gehen, es wird häufig ihr erstes Verfahren mit der Kirche sein. Sie wissen dann aber nicht, wie ihre Landeskirche in der Vergangenheit vorgegangen ist, wie sie in vergleichbaren Fällen vorgeht. Hier fehlen immer noch Standards zu Transparenz, Dokumentation und Anonymisierung."

Auch die EKD stand wegen ihrer Missbrauchsaufarbeitung zuletzt scharf in der Kritik, weil sie im Mai den Betroffenenbeirat einseitig und gegen den Willen einiger Beiratsmitglieder aufgelöst hatte. Die EKD hatte damals - nachdem es Rücktritte aus dem Beirat gegeben hatte - von internen Differenzen im Gremium gesprochen, was einige Mitglieder, darunter Kracht, scharf zurückwiesen: Grund für das Scheitern seien vielmehr defizitäre Strukturen.

Die EKD sprach damals indes von einer Aussetzung des Beirats und kündigte an, dessen Arbeit evaluieren zu wollen. Fast fünf Monate später wird bei der EKD nicht mehr von Evaluation gesprochen, stattdessen von "Expertise": Eine "Expertin für Beteiligungs- und Partizipationsverfahren" sei beauftragt worden, "eine Expertise für einen gelingenden Neustart der Betroffenenpartizipation durchzuführen", sagte ein EKD-Sprecher auf SZ-Anfrage. Die Expertise werde aber die Erfahrungen der vergangenen Zeit einbeziehen, das Verfahren stehe am Anfang. Ziel sei es, ein Alternativmodell zur Beteiligung von Betroffenen auf Ebene der EKD zu entwickeln. Dieses Modell werde in Gesprächen zwischen dem Beauftragtenrat und den ursprünglichen Mitgliedern des Betroffenenbeirats diskutiert und weiterentwickelt. "Dabei geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit", so der EKD-Sprecher.

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