Evangelische Kirche:Lebenslanges Leid

Die evangelische Kirche leugnet nicht mehr, dass auch bei ihr sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im System begründet liegt. Das ist ein wichtiger Schritt. Aber warum verweigert sich die EKD-Synode dann der Diskussion über Entschädigungen an die Opfer?

Von Matthias Drobinski

Fragt man in ein paar Jahren einmal nach, was von der Synoden-Tagung der evangelischen Kirche 2019 in Dresden im Gedächtnis hängen geblieben ist, dann wird das wohl nicht jene Kundgebung sein, mit der die versammelten Protestanten für eine friedliche und klimaneutrale Welt ohne Atomwaffen eintraten. Es dürfte das Bild von Kerstin Claus sein, die als erste Betroffene von sexueller Gewalt in der evangelischen Kirche vor der Versammlung redete.

Die evangelische Kirche leugnet nicht mehr, dass auch bei ihr diese Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im System begründet liegt, in der religiösen und gesellschaftlichen Macht der Pastoren, der entgrenzten reformpädagogischen Praxis, der Unfähigkeit, die Opfer der Gewalt zu sehen. Es war ein harter Kampf gegen die Ignoranz. Er ist noch nicht vorbei - aber ein wichtiger Schritt ist getan: Die Betroffenen standen in Dresden im Mittelpunkt, sie hatten das Wort, die Deutungsmacht.

Umso weniger verständlich ist die Weigerung der EKD, über Entschädigungen zu reden. Sie will nur individuell Hilfen finanzieren. Solche Zahlungen machten nichts ungeschehen. Aber sie wären ein Zeichen der institutionellen Verantwortung für Taten, die im Raum der Institution geschahen. Sie täten weh - wären aber angesichts des oft lebenslangen Leides verschmerzbar.

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