EKD und Klimaschutz:Klimaaktivisten "gehören nicht in die kriminelle Ecke"

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"Wir brauchen die evangelische Kirche auf unserer Seite": Aimée van Baalen, Aktivistin der Klimabewegung "Letzte Generation", spricht auf der Synode der EKD. (Foto: Heike Lyding/Imago)

Die Synode der Evangelischen Kirche zeigt Verständnis für die "Letzte Generation", ziviler Ungehorsam müsse möglich sein. Doch es wird auch Ärger über die neuen Protestformen laut.

Von Annette Zoch, Magdeburg

"Nicht jeder von ihnen will vielleicht eine Autobahn blockieren", sagt Aimée van Baalen, und damit dürfte die Aktivistin der Klimabewegung "Letzte Generation" wohl recht haben. Die 128 Mitglieder der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bedenken die 22-Jährige am Dienstag dennoch am Ende ihres Vortrags mit minutenlangem Applaus, viele erheben sich von ihren Sitzen. Auch radikale Klimaschützer erhalten jüngst immer mehr Unterstützung von kirchlicher Seite, so hat sich zum Beispiel der Jesuitenpater Jörg Alt vor kurzem zusammen mit Wissenschaftlern in München auf der Straße festgeklebt.

"Wir brauchen ihre Hilfe beim Widerstand, wir brauchen die evangelische Kirche auf unserer Seite", bekräftigt van Baalen deshalb auf der Tagung der Protestanten. "Sie haben die Möglichkeit, ihre Stimme zu erheben für die Menschen im globalen Süden, aber auch die Menschen in Deutschland." Die Aktivistinnen und Aktivisten von "Letzte Generation" hätten sich nicht leichtfertig für diese Form des Protestes entschieden, sagt van Baalen. Doch alle anderen Protestformen seien erschöpft. "Wir wünschen uns sehr, dass unser Protest nicht nötig wäre, aber wenn wir ehrlich sind, können wir nur deswegen darüber diskutieren, welcher Protest der richtige wäre, weil wir gerade nicht ertrinken und unser Land nicht unter Wasser steht", so die Aktivistin.

Kristina Kühnbaum-Schmidt, Landesbischöfin der Nordkirche und Klimabeauftragte der EKD, würdigt die Klimaaktivisten: Ihre Proteste hätten im Alltag eine Unterbrechungsfunktion, wie ein Gewissen - "diese Unterbrechungsfunktion nehmen wir als Kirche ja auch wahr, nämlich mindestens jeden Sonntag". Sie wolle die Aktivisten gerne in den Dialog mit Politikern bringen. Die Kirche solle sich außerdem dafür stark machen, dass das Recht auf Protest auch für Klimaaktivisten gelte.

Präventivhaft sei eine "Unverschämtheit"

Synoden-Präses Anna Nicole Heinrich kritisiert die "Unverhältnismäßigkeit, wie gerade jene behandelt werden, die zivilen Ungehorsam leisten" und nennt vor allem die zwölf Aktivisten, die derzeit in Bayern gemäß des Polizeiaufgabengesetzes ohne Urteil in sogenannter Präventivhaft festgehalten werden. Die Aktivisten seien "junge Menschen, die an konstruktivem Diskurs interessiert sind", sie würden in eine "kriminelle Ecke gestellt, in die sie einfach nicht gehören". Eine "Unverschämtheit" sei diese Präventivhaft, sagt der Synodale Hans-Peter Strenge von der Nordkirche. Die bayerische Landesregierung gefährde damit "die Balance der Rechtsordnung in Deutschland".

Van Baalen spricht auch über den tödlichen Unfall in Berlin, als eine Radfahrerin von einem Betonmischer überfahren wurde und anschließend ihren Verletzungen erlag. Danach wurde spekuliert, dass eine Straßenblockade von Klimaaktivisten ihre Rettung erschwert haben könne. "Wir bekommen täglich Morddrohungen, aber so schlimm wie es in diesen Tagen war es nie zuvor", sagt van Baalen. Erst als die behandelnde Notärztin bestätigt habe, dass die Klimaaktion keine Auswirkung auf die Versorgung der Frau gehabt habe, hätten die Drohungen wieder etwas abgenommen.

Von lähmender Angst zum konkreten Handeln

Doch längst nicht alle in der evangelischen Kirche halten die neuen Protestformen für gerechtfertigt. Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist kritisch: "Ich kann nicht sehen, dass das Festkleben auf den Straßen, wo Leute ihr Kind aus dem Kindergarten abholen wollen, die dann im Stau stehen und sich ärgern, etwas nutzt", sagte er bereits am Freitag. "Oder dass irgendwelcher Brei auf Gemälde gespritzt wird - das verhindert nur, dass sich konstruktive Energie entwickelt, und Menschen handeln."

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Im Umgang mit der Klimakrise plädiert Markus Vogt, Professor für christliche Sozialethik und katholische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, für einen "aufgeklärten Katastrophismus". Er grenzt sich damit ab von dem Ausruf Greta Thunbergs, die sich gewünscht hatte, dass die Menschen in Panik geraten. Er spricht sich für Nüchternheit in der Debatte aus, nicht aber im Sinne eines gerade theologisch aufgeladenen Abwiegelns: Einem Krebskranken helfe es auch nicht, wenn man diesem sage, "wird schon wieder alles gut", sondern nur, dass man seine Krankheit ernst nehme.

"Angesichts der Dominanz von Verdrängung ist der Wert von Dringlichkeitsbewusstsein nicht zu unterschätzen", sagt Vogt. "Allzu viele klammern sich an ihre Besitzstände und hoffen, dass alles nicht so schlimm werde." Deshalb sei es gut, wenn sich diffuse und lähmende Angst in konkrete Sorge und Forderungen wandele. Es brauche inneren Widerstand gegen unsere eigenen Konsumgewohnheiten. Das Eintreten für die Schöpfung sei der Kern des Auftrags der Kirche, sagt Vogt: "Gottesliebe ist nicht denkbar ohne Liebe zur Schöpfung. Schöpfungsliebe ist der Ort, wo wir Gott begegnen - oder ihn verpassen."

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