Evangelische Kirche:Als Minderheit frei

Den Kirchen laufen die jungen Leute davon. Das ist bitter - es macht die Kirchen aber auch frei. Sie können den Glauben um des Glaubens willen vertreten - und nicht, um die Institution zu retten. In dieser Authentizität liegt auch eine Chance.

Von Matthias Drobinski

Für die evangelische Kirche ist die Lage so bitter wie befreiend: Ob in den Kirchen nun statt der Orgel das Elektropiano tönt, die Pfarrerin auf Twitter predigt oder zur Facebook-Andacht ruft - sie werden nicht in Scharen zurückkommen, die jungen Erwachsenen. Die Kirche ist ihnen egal geworden; gut, dass es sie gibt, aber warum soll ich da mitmachen?

Das ist einerseits bitter für die Kirche. Die Säkularisierung hat all die schönen Menschenfischerkonzepte zerrieben und die Programme zur Rettung der jungen Christenschar jenseits der Konfirmation. Viele Pfarrer stehen ratlos vor dem Individualismus und dem Selbstwirksamkeitsglauben heutiger Mittzwanziger und feiern lieber nette Kinder- oder Altengottesdienste. Das hat zum Schwund beigetragen. Vorbei ist's mit der einstigen gesellschaftlichen Durchdringungskraft - auch bei den Katholiken übrigens.

Das macht aber auch die Kirchen frei: Sie müssen niemanden mehr ankumpeln, um mehrheitskompatibel zu bleiben. Sie können die Freiheit der Menschen respektieren, die da gehen und vielleicht irgendwann wieder einmal vorbeischnuppern. Die Kirchen können sie selbst sein und ihren Glauben vertreten - um des Glaubens willen und nicht, um die Institution zu retten. Sie können authentisch sein. Junge Erwachsene finden so etwas übrigens recht attraktiv.

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