Die europäische Polizeibehörde Europol warnt vor zunehmenden rechtsextremen Gewalttaten und regt eine stärkere Kooperation bei deren Bekämpfung an. Das geht nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR aus einem vertraulichen Lagebericht ("Strategic Report") hervor, den die finnische Ratspräsidentschaft in Auftrag gegeben hat.
Das "signifikante Wachstum" rechter Stimmungen drücke sich "auch in einer beachtlichen Anzahl gewalttätiger Zwischenfälle in zahlreichen EU-Mitgliedsländern aus", heißt es. Allein die Zahl der Verhaftungen im Zusammenhang mit rechtem Terrorismus sei in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich gestiegen, von zwölf im Jahr 2016 auf 44 im Jahr 2018. Zudem zeigten rechte Gruppen ein anhaltendes Interesse an Waffen und Sprengstoff. "Um ihre körperlichen Fähigkeiten und Kampffähigkeiten an den Waffen auszubauen", so der Lagebericht, "versuchen Mitglieder rechtsextremer Gruppen Personal aus Militär und Sicherheitsbehörden für sich zu gewinnen, um von deren Expertise im Bereich der Überwachung und Kampffertigkeiten zu lernen." Eine wichtige Rolle spielten auch Kampfsportevents, die von der rechtsextremen Szene genutzt würden.
Mit Sorge merkt die Behörde an, dass "rechte und rechtsradikale Organisationen und Netzwerke" auch "unter jüngeren und gebildeteren demografischen Schichten immer populärer" würden. Die länderübergreifende Vernetzung von Gruppierungen nehme ebenfalls zu: Europol nennt die "Hammerskins", die "Soldiers of Odin", das in Deutschland verbotene "Blood & Honour"-Netzwerk und die Gruppe "Combat 18". Mehrere Landesinnenminister haben sich inzwischen für ein Verbot von "Combat 18" ausgesprochen, Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat hierzu noch keine Entscheidung getroffen. Allerdings wird erwartet, dass Seehofer bereits in Kürze neue Maßnahmen im Kampf gegen rechts vorstellen wird, entsprechende Vorschläge haben ihm Verfassungsschützer und das Bundeskriminalamt unterbreitet.
Gewalttätige Angriffe richteten sich laut Europol meist gegen Flüchtlinge und Asylsuchende, Muslime, Politiker oder politische Gegner aus dem linken Spektrum, aber auch gegen sexuelle Minderheiten. Die Behörde beklagt, dass zahlreiche Taten nicht gemeldet würden, weil die meisten rechtsextremen Gewalttaten in der EU nicht als terroristische Straftaten oder terrorbezogene Zwischenfälle erkannt, sondern nach nationaler Rechtslage als "extremistische Aktivitäten gewertet" würden. Zwischen den öffentlich zugänglichen Informationen und den Meldungen, die über die Mitgliedstaaten bei Europol eingingen, klaffe daher eine Lücke. "Im Ergebnis verfügt Europol derzeit nicht über eine umfassende Datengrundlage über alle rechtsextremen und rechtsterroristischen Zwischenfälle, die den EU-Mitgliedstaaten bekannt sind", moniert das Amt.
Das Thema steht Anfang Oktober auch auf der Tagesordnung der EU-Innen- und Justizministerkonferenz. Es wird erwartet, dass das Problem einer fehlenden einheitlichen Definition rechter Gewalttaten dort diskutiert werden wird.