Süddeutsche Zeitung

Europawahl:Verfassungsgericht prüft Drei-Prozent-Hürde

Kommendes Jahr ist Europawahl, und diejenigen Parteien, die ins Europäische Parlament einziehen wollen, müssen mindestens drei Prozent der Stimmen erreichen. Kleine Parteien wehren sich nun gegen diese Hürde und ziehen vor das Verfassungsgericht. Sie sagen: Die Bundestagsparteien würden sich "lästige Konkurrenz" vom Hals halten wollen.

Die Drei-Prozent-Hürde bei den Europawahlen steht in Karlsruhe auf dem Prüfstand. "Es gibt einiges zu erörtern", sagte Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle zu Beginn der Anhörung der Klage. Dem Gericht liegen solche Klagen mehrerer kleiner Parteien und mehr als 1000 Bürgern gegen die seit Oktober geltende Sperrklausel vor. Unter den Klägern sind die Freien Wähler und die ÖDP.

Sie werfen den im Bundestag vertretenen Parteien vor, mit der Drei-Prozent-Hürde politische Gegner klein halten zu wollen. "Für die Freien Wähler ist ganz klar ersichtlich, dass sich die Bundestagsparteien lästige Konkurrenz vom Hals halten wollen und Sorge vor frischem Wind haben", warf FW-Chef Hubert Aiwanger den sogenannten etablierten Parteien vor.

Mit der Regelung verhinderten sie außerdem, dass sich die kleinen Parteien auf die im Mai 2014 anstehende Europawahl vorbereiten könnten, sagte der Vertreter der ÖDP und der FW, Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim, in Karlsruhe.

Angst vor Zersplitterung

Der Bundestag rechtfertigt die Klausel mit dem Argument, dass Zersplitterung im EU-Parlament verhindert werden solle. In allen anderen EU-Ländern gebe es eine derartige Sperrklausel, sagte der Vertreter des Bundestages, Christopher Lenz. Es sei ein Problem, wenn das Parlament bei wichtigen Fragen wie etwa dem Haushalt wegen Zersplitterung nicht handeln könne, warb auch Grünen-Politiker Volker Beck für die Klausel. "Wir wollten diese Defizite beseitigen."

2011 hatten die Verfassungsrichter die damals geltende Fünf-Prozent-Klausel gekippt. Sie begründeten dies vor allem damit, dass das EU-Parlament auch mit vielen kleinen Parteien funktioniere. Ob das heute noch der Fall ist, will das Gericht jetzt genau prüfen. "Jede Sperrklausel stellt einen Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der Parteien dar", sagte Voßkuhle dazu. Dieser müsse gerechtfertigt sein. Zumindest der Berichterstatter des Zweiten Senats in dem Verfahren, Michael Gerhardt, sagte während der Anhörung, er sehe nicht, "dass neue Umstände zur Rechtfertigung einer Sperrklausel eingetreten sind".

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sagte, in fast keinem Land der Europäischen Union könne eine Partei mit weniger als drei Prozent der Stimmen ins Europaparlament kommen. Würde das Bundesverfassungsgericht nun die Drei-Prozent-Hürde kippen, " würde die Bundesrepublik Deutschland ausscheren". Diese Sperrklausel sei wichtig, damit das EU-Parlament nachhaltige strukturelle Mehrheiten bekomme.

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