Europawahl: Reaktionen in Deutschland:"Das hätte ich anders erwartet"

Die ersten Hochrechnungen sind da, nun müssen sich die deutschen Politiker den Zahlen stellen: Wer jubelt, und wer sich enttäuscht zeigt - die Reaktionen auf die Europawahl.

Erste Reaktionen auf die Hochrechnungen in Deutschland: Lange Gesichter bei der SPD, Freude bei der Union und der FDP.

Europawahl: Reaktionen in Deutschland: SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bei der Stimmabgabe.

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bei der Stimmabgabe.

(Foto: Foto: AP)

SPD-Chef Franz Müntefering zeigte sich enttäuscht. "Das Ergebnis ist für uns deutlich schlechter als erhofft", sagte er in Berlin. "Das ist für uns ein schwieriger Abend." Die SPD habe es trotz eines engagierten Wahlkampfes nicht geschafft, die "Mobilisierungsprobleme" bei den Wählern aufzulösen. Zwar habe auch die Union Einbrüche zu verzeichnen, doch seien die Wähler nicht zur SPD gewechselt. Als positiv wertete Müntefering, dass die SPD keine weiteren Stimmen "nach links" verloren habe.

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte in der ARD: "Es ist ein enttäuschendes Wahlergebnis, da gibt es nichts drumherum zu reden. Das hätte ich anders erwartet und insbesondere hätte ich es mir anders gewünscht." Bayerns SPD-Chef Ludwig Stiegler sprach im Bayerischen Fernsehen von einem "Schlag in die Magengrube".

"Klare bürgerliche Mehrheit"

Die Union wertete ihr Abschneiden unterdessen als Erfolg. "Wir haben als Union ein wirklich gutes Ergebnis erreicht", sagte CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sieht in der Europawahl ein Signal für einen Regierungswechsel im Bund. "Es gibt eine klare bürgerliche Mehrheit von Union und FDP in Deutschland", sagte er in Berlin. Die Union allein sei "stärker als SPD und Grüne zusammen", fügte Pofalla hinzu. "Die SPD ist der große Verlierer des Abends." Er bekräftigte dabei den Anspruch der Union auf einen deutschen EU-Kommissar aus ihren Reihen.

Ähnlich reagierte FDP-Chef Guido Westerwelle, der darauf verwies, dass seine Partei die Verluste der Union aufgefangen habe.

CSU-Chef Horst Seehofer sprach von einem großen Erfolg nach den Problemen seiner Partei im vergangenen Jahr. "Die Christlich-Soziale Union ist wieder da", sagte er in München. Seiner Partei sei es gelungen, das Vertrauen der bayerischen Bevölkerung zurückzugewinnen. "Das war meine erste Bewährungsprobe", so Seehofer. "Wir haben den Leuten gesagt: Bitte wählt, bevor ihr in die Ferien fahrt". Strategisch sei "vieles aufgegangen, worüber wir in der Öffentlichkeit nicht gesprochen haben".

Ihr bestes Ergebnis bei einer Europawahl erzielte die FDP. Entsprechend fielen die Reaktionen bei den Liberalen aus: "Keine Partei hat so zugelegt wie wir", jubelte Parteichef Westerwelle in Berlin. "Die Bürgerinnen und Bürger haben die Mitte heute gestärkt", sagte er in der FDP-Zentrale in Berlin. "Unser Ziel ist es, dass die große Koalition beendet wird." Für eine bürgerliche Mehrheit habe es heute einen "empfindlichen Rückenwind" gegeben.

Die Grünen sehen ihr Ergebnis nicht als Vorentscheidung für die Bundestagswahl. "Die Bundestagswahl ist am heutigen Tag definitiv nicht entschieden", sagte Parteichefin Claudia Roth in der ARD. "Ich bin überhaupt nicht enttäuscht über dieses Ergebnis für uns heute Abend."

Der Grünen-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, erklärte, die Grünen hätten "einen dezidiert pro-europäischen Wahlkampf geführt" und seien aus dieser Auseinandersetzung in Europa gestärkt hervorgegangen. "Wir werden eine größere Fraktion im Europäischen Parlament stellen", sagte er. Zugleich sei die Europawahl aber auch eine Ansage für die Bundestagswahl im Herbst. "Diese Wahl ist noch nicht gelaufen!", erklärte er. Seine Partei streite dafür, dritte Kraft im Land zu werden, Schwarz-Gelb zu verhindern und die Große Koalition zu beenden.

"Wir brauchen keine ideologischen Schlachten"

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, betonte, seine Partei sei neben der FDP die einzige, die zulegt habe. Es sei der Linkspartei allerdings nicht ausreichend gelungen, ihre Klientel zu mobilisieren, sagte er in der ARD. Mit Blick auf die innerparteilichen Querelen sagte er: "Wir brauchen keine ideologischen Schlachten."

Die Linke habe eine "gute Liste" für das Europaparlament aufgestellt. Es müsse auch bei den künftigen Wahlen für eine "Aufbruchstimmung" mobilisiert werden. Das eigentlich "desaströse" Ergebnis habe die SPD erzielt. Gysi bekräftigte das Ziel von zehn Prozent Stimmenanteil am 27. September. "Ich bin seit heute, was die Bundestagswahl betrifft, sehr optimistisch."

Die Spitzenkandidatin der Freien Wähler (FW) für das Europaparlament, Gabriele Pauli, zeigte sich zufrieden. Laut Hochrechnung liegen die Freien Wähler bei 6,6 Prozent in Bayern und rund zwei Prozent bundesweit. "Ich finde das Ergebnis sehr gut", sagte Pauli am Sonntagabend im Bayerischen Fernsehen. Immerhin habe die Wählergruppe aus dem Stand heraus erstmals für eine Europawahl kandidiert. Für sie sei das Thema der Beteiligung an der Bundestagswahl im Herbst "noch nicht vom Tisch", sagte Pauli.

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