Europawahl in Frankreich:Apathie nützt Präsidenten

Das Desinteresse der Franzosen wird Präsident Sarkozy einen Denkzettel ersparen. Seine ehemalige Justizministerin Rachida Dati hat er geradezu erpresst, für Europa zu kandidieren.

Gerd Kröncke, Paris

Die Kampagne schleppt sich dahin, von einer Wahlschlacht kann keine Rede sein. Nur selten gibt es etwas Aufregung. So empören sich die Sozialisten gerade über einen TV-Werbespot, mit dem die Regierung auf die Europawahl vom 7. Juni hinweist.

Europawahl in Frankreich: Der Vater von Rachida Datis Kind interessiert die Franzosen mehr als ihre Ansichten über Europa, die nicht sehr ausgeprägt sind.

Der Vater von Rachida Datis Kind interessiert die Franzosen mehr als ihre Ansichten über Europa, die nicht sehr ausgeprägt sind.

(Foto: Foto: AFP)

Eigentlich wäre nichts dagegen zu sagen, ginge es nur darum, die Lethargie der Wahlbürger aufzubrechen. Doch das Fatale an dem scheinbar neutralen Spot ist, dass er die Handschrift der UMP verrät und dem Zuschauer vor allem suggeriert, wie bedeutsam die Rolle von Nicolas Sarkozy voriges Jahr während der französischen EU-Präsidentschaft gewesen ist. Für die UMP, die Partei des Staatspräsidenten, ist das eine vom Staat bezahlte zusätzliche Werbung. In den Meinungsumfragen ist sie ohnehin die Favoritin, nicht weil sie so stark ist, sondern weil die Sozialisten als stärkste Oppositionspartei so geschwächt sind.

Sarkozys Liste liegt mit 27 Prozent weit vor den Sozialisten. Im wichtigsten Wahlkreis, der Île de France, will sogar jeder Dritte die bürgerliche Rechte wählen. Dabei sind die Listenführer keine Stars - oder nicht mehr. Michel Barnier ist zwar ein überzeugter Europäer, aber für ihn ist der Weg zurück nach Europa vor allem ein ehrenvoller Abgang vom ungeliebten Posten des Landwirtschaftsministers.

Nach Straßburg abgeschoben

Hingegen ist die Listen-Zweite, Rachida Dati, von Sarkozy geradezu erpresst worden, für Europa zu kandidieren. Sie war lange Favoritin des Präsidenten, fiel jedoch in Ungnade, als er sich mit Carla Bruni zusammentat.

Madame Dati wurde auch abgeschoben, weil sie als Justizministerin vor allem die Justiz gegen sich aufgebracht hat. So ist der Weg nach Straßburg für die junge Frau, die ihre große Zukunft hinter sich hat, vor allem eine Bewährungsstrafe. Selbst die Faszination der bunten Hefte an der Immigranten-Tochter ist geschwunden, eigentlich will alle Welt nur noch wissen, wer der Vater ihrer kleinen Tochter ist. Das interessiert die Franzosen mehr als ihre Ansichten über Europa, die nicht sehr ausgeprägt sind.

Unvergessen ein Auftritt vor jungen Konservativen, aus dem ein absurder Clip bekannt wurde. Kichernd, wie in alberner Sektlaune, offenbarte sie ihr Unwissen über Europa und musste selbst bei einfachsten Fragen einen Spickzettel zu Rate ziehen.

Die Wähler der Linken neigen immer schon zu Eskapaden

Eine schier unlösbare Herausforderung für die Sozialisten ist das Desinteresse der Franzosen an dieser Wahl. Die Hoffnung der Linken, die Wähler würden den Präsidenten an der Urne bestrafen, scheint nicht in Erfüllung zu gehen. Wenn nicht einmal die Hälfte wählen gehen will, mindert sich die Aussicht auf eine Denkzettel-Wahl. Zudem ist die Opposition traditionell zersplittert.

Die Liste "Europe Ecologie" mit Daniel Cohn-Bendit könnte zehn Prozent der Stimmen erreichen. Links außen agieren die trotzkistische Linke des Briefträgers Olivier Besancenot und eine linksradikale Formation unter Jean-Luc Mélenchon, der die Sozialistische Partei verlassen hat, um nach dem Vorbild Oskar Lafontaines eine "Linkspartei" zu gründen.

Martine Aubry, die sozialistische Parteiführerin, mag sich noch so heftig abmühen, die linke Wählerschaft zur Geschlossenheit aufzurufen. Es klingt verzweifelt, wenn prominente Sozialisten auf den Preis hinweisen, der dafür zu zahlen wäre, wenn "der Briefträger" mit seiner "Neuen Antikapitalistischen Partei" einen oder zwei Abgeordnete nach Straßburg schicken kann, falls er, was realistisch ist, mehr als fünf Prozent erreicht: Objektiv nämlich würde die Anti-Sarkozy-Front geschwächt, die Sozialisten könnte dies fünf Sitze kosten.

All solche Rechnungen gehen wohl ins Leere. Die Wähler der Linken neigen immer schon zu Eskapaden. Umso mehr, als die Europawahl, selbst von denen, die sich beteiligen, nicht besonders ernst genommen wird.

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