Süddeutsche Zeitung

Europawahl:Grüner Streit um Anti-Wagenknecht-Kampagne

Führende Grüne wollten Sahra Wagenknecht und die Linke mit einer Montage zur Krim-Krise vorführen. Doch die eigenen Mitglieder laufen dagegen Sturm. Kein Wunder: Derlei Angriffen hatte die Partei eigentlich abgeschworen.

Von Michael König

"Haben wir diese ekelerregende Pöbelei nötig?", fragt ein Kommentator auf der Facebook-Seite von Parteichef Cem Özdemir. Ein anderer schreibt: "Dieses Plakat werde ich weder teilen, noch bewerben, das ist ein GAU, ein politischer diplomatischer und wahltaktischer!" Die Grünen streiten mal wieder über ihre Wahlkampfmittel, sie haben inzwischen Erfahrung damit.

Kurze Rückblende: Den Misserfolg bei der Bundestagswahl 2013 schrieben viele Mitglieder dem Slogan "Und du?" zu, der als anmaßend empfunden wurde ("Was fällt denen ein, mich zu duzen?"). Hinzu kam die Diskussion um den "Veggie Day" und eine verunglückte Negativkampagne: "Black Hawk Down", stand beispielsweise über einem Plakat, das den damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière und Kanzlerin Angela Merkel zeigte. Der Insider-Witz (eine Anspielung an das gescheiterte Drohnen-Projekt Euro Hawk) zündete nicht, zudem ließ die CDU durchblicken, sie habe sich über diese kostenlose Plakatierung ihrer Führungspersonen sehr gefreut.

Die Wahl brachte der Union dann beinahe die absolute Mehrheit im Bundestag, die Grünen erlebten mit 8,4 Prozent eine Enttäuschung - und schworen dem Negativ-Wahlkampf ab. Zumindest klang es so. "Das Hauptwort darf nicht mehr Angriff sein", sagte damals Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg. "Wir stehen nicht mehr am Rand."

Nicht einmal sechs Monate später ist der Streit erneut entflammt, entzündet an einem Motiv, das führende Grüne wie Özdemir oder Reinhard Bütikofer, Chef der europäischen Grünen, in sozialen Netzwerken verbreiten. Es zeigt Sahra Wagenknecht, Vizechefin der Linken, vor einigen, mutmaßlich russischen Soldaten mit Sturmgewehren*. Dazu der Slogan: "Jetzt neu: Linkspartei erstmals für Auslandseinsätze."

Der Hintergrund: Wagenknecht und andere Linke hatten die Bundesregierung für ihre Politik in der Krim-Krise scharf angegriffen. "Eine Putschregierung, der Neofaschisten und Antisemiten angehören, kommt mit dem Segen von Steinmeier und Merkel ins Amt", sagte Wagenknecht mit Blick auf die neue Führung in Kiew. Angesichts der Russland-feindlichen Ausrichtung der Regierung könne sie den Wunsch nach einer Volksbefragung auf der Krim durchaus verstehen.

Die Grünen halten Wagenknecht nun vor, sie unterstütze die gewaltsame Annexion der Krim durch Moskau. Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck warf ihr eine "außenpolitische Geisterbahnfahrt" vor. Parteichef Özdemir und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt veröffentlichten das Plakatmotiv. Zunächst kommentarlos, später reagierte Özdemir auf viele wütende Zuschriften wie folgt:

"Liebe Freundinnen und Freunde, das Share-Pic ist eine provokante Zuspitzung zu den schwer erträglichen Äußerungen von Sahra Wagenknecht und Sevim Dagdelen in Sachen Putins Annektierung der Krim. Ich kann verstehen, dass dies nicht jeden Geschmack trifft. Was ich nicht verstehe ist, dass den beiden bislang kaum widersprochen wird."

Die Diskussion bremste das nicht, im Gegenteil: "Peinlich und absolut daneben" sei die Aktion, bekam Özdemir zu hören. "Blödsinn, das habt ihr nicht nötig, das ist Bildzeitungs-Niveau." Oder auch: "Interessant, dass nun ausgerechnet die Grünen Stimmung machen mit der Frage der Kriegseinsätze. Afghanistan, Libyen, Kosovo, Somalia, das waren alles Grüne 'Friedensmissionen.'"

Auch prominente Grüne stellten sich gegen das Motiv. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner verneinte die Urheberschaft, die kurz darauf Bütikofer übernahm, und erklärte: "Die niveaulosen Angriffe von einigen Linken auf uns sollten wir nicht so kontern." Fraktionschefin Göring-Eckardt, die auf Facebook mehr als 1400 zum Großteil kritische Reaktionen erhielt, äußerte Verständnis dafür, "dass manchen das Motiv zu zugespitzt ist."

Die Grünen waren übrigens mal richtig gut in Sachen Wahlkampf. "Hanf statt Kohl", ein Slogan aus dem Bundestagswahlkampf 1998, hängt noch heute in manch einer WG-Küche. "Außen Minister, innen grün", vier Jahre später mit dem Konterfei des damaligen Spitzenkandidaten Joschka Fischer plakatiert, gilt als Klassiker. Auch Internet-Kampagnen konnten die Grünen: 2009 lieferten sie sich einen postalischen Schlagabtausch mit dem Kanzleramt. Angela Merkel hatte sich darin für einen TV-Spot filmen lassen, die Grünen wollten nun auch in dem Gebäude drehen. Merkels Büroleiterin schrieb, das sei möglich, die Kanzlerin müsse aber mitspielen. Die Grünen lehnten dankend ab, machten den Schriftverkehr öffentlich - und legten über den CDU-Spot einfach ihre eigene Tonspur.

Touché. Aber lange her.

Kennen Sie andere gelungene oder verunglückte Wahlkampf-Aktionen der Grünen? Hinweise gerne per Twitter.

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war hier von "Maschinenpistolen" die Rede. Wir haben das korrigiert.

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