Europawahl:EVP und Sozialisten verlieren Mehrheit in Brüssel

Populisten und Nationalisten legen deutlich zu, in Frankreich fällt Präsident Emmanuel Macron hinter Marine Le Pen zurück.

Von Alexander Mühlauer, Christiane Schlötzer, Paul-Anton Krüger und Peter Münch, Brüssel

European Commission Presidential Lead Candidates' Debate

Spitzenkandidaten ohne Spitzenpartei: Frans Timmermans (links) von den Sozialisten und Manfred Weber von der EVP.

(Foto: Geert Vanden Wijngaert/Bloomberg)

Bei der Europawahl haben Christ- und Sozialdemokraten nach ersten Prognosen deutlich verloren. Laut Daten des Europaparlaments dürfte es für die Europäische Volkspartei (EVP) und die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament erstmals nicht mehr zu einer gemeinsamen absoluten Mehrheit reichen. Rechtspopulistische Parteien, aber auch Liberale und Grüne haben deutlich Stimmen hinzugewonnen. Europaweit stieg die Wahlbeteiligung zum Teil deutlich an, zum ersten Mal seit 40 Jahren. Nach Prognosen des EU-Parlaments lag sie bei 51 Prozent. Von den 751 Abgeordnetenmandaten des künftigen Europaparlaments wird die EVP nach den Berechnungen 178 erhalten, 39 weniger als bisher. Die Sozialisten kämen auf 147 Mandate (minus 39). Die Liberalen liegen zusammen mit der Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, mit der sie sich verbünden wollen, bei 101 Sitzen. Dahinter kommen die Grünen mit 70 Sitzen (plus 13). Die Linke verliert elf Sitze und kommt auf 41. Die bisher drei rechtspopulistischen und nationalistischen Fraktionen erreichen zusammen 173 Sitze, 20 mehr als bisher.

Es wird allerdings erwartet, dass Fraktionen sich neu sortieren und eine neue Allianz bilden. In Frankreich holte der rechtspopulistische Rassemblement National laut Prognosen mit 23,3 Prozent mehr Stimmen als die Partei von Präsident Macron mit 22,1 Prozent. In Italien wurde die rechtsnationalistische Lega laut Nachwahlumfragen mit 29 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, blieb aber hinter den Erwartungen zurück. Ihr Koalitionspartner im populistischen Kabinett, die Cinque Stelle, fiel auf 20 Prozent. Die Überraschung schaffte der sozialdemokratische Partito Democratico: Mit 23 Prozent wurde sie zweitstärkste Partei. In Spanien lag die regierende Sozialistische Arbeiterpartei unter Premier Pedro Sánchez mit 16 der 55 Mandate vorne. In Österreich ist die Volkspartei (ÖVP) mit einem Plus von 7,9 Prozentpunkten die große Siegerin der Europawahl. Bundeskanzler Sebastian Kurz geht mit 34,9 Prozent der Stimmen gestärkt in ein Misstrauensvotum, dem er sich an diesem Montag im Parlament stellen muss. Die FPÖ hingegen musste Verluste von 2,5 Prozentpunkten hinnehmen. Sie kam nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos mit dem früheren Parteichef Heinz-Christian Strache auf 17,2 Prozent. Die SPÖ konnte nicht profitieren und stagniert bei 23,4 Prozent. In Griechenland erlitt die linke Regierungspartei Syriza die erwartete Niederlage. Die konservative Nea Dimokratia von Kyriakos Mitsotakis lag mit 33 Prozent deutlich vor Syriza mit etwa 24 Prozent. Premier Alexis Tsipras kündigte vorgezogene Neuwahlen an.

Großbritannien hatte trotz des geplanten EU-Austritts bereits am Donnerstag gewählt, nach Umfragen vor der Wahl wurde eine schwere Niederlage für die regierenden Tories erwartet, aber auch für die oppositionelle Labour-Partei. Wahlsieger würden demnach die Brexit-Partei des Populisten Nigel Farage sowie die Liberaldemokraten.

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