Süddeutsche Zeitung

Europawahl:"Die Diskussion um die Wahlbeteiligung ist schädlich"

Mehr über Inhalte reden: Der Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, Matthias Petschke, darüber, worum es am 7. Juni eigentlich geht.

Daniel Brössler

Matthias Petschke ist der Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland. Der 46-Jährige leitet seit dem 1. Mai 2009 das Büro in Berlin.

SZ: Herr Petschke, haben Sie in Deutschland einen Europa-Wahlkampf bemerkt?

Matthias Petschke: Es hat gedauert, aber die EU-Kampagne hat in Deutschland zuletzt wirklich Fahrt aufgenommen. Es gibt jetzt endlich eine umfassende Plakatierung. Das ist nicht in allen Mitgliedstaaten so. In Deutschland wird immerhin flächendeckend auf diese Europawahl hingewiesen.

SZ: Nur haben die meisten Plakate wenig mit Europa zu tun, oder?

Petschke: Auch Plakate mit prominenten Politikern erzeugen Aufmerksamkeit und weisen auf die Wahl hin. Natürlich muss es aber letztlich um europäische Inhalte gehen.

SZ: Welche?

Petschke: Klimaschutz zum Beispiel oder die Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Bei diesen Themen versteht der Bürger, wie wichtig es ist, dass er sich mit Europa auseinandersetzt und wie wichtig es ist, dass er seine Stimme abgibt.

SZ: Worüber stimmt der Bürger denn konkret ab?

Petschke: Er entscheidet über die Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes und trifft so eine wichtige Entscheidung darüber, welche Politik in den nächsten Jahren gemacht wird. Das Europäische Parlament hat eine zentrale Rolle im Gesetzgebungsprozess. Deshalb ist eine Wahlbeteiligung so wichtig.

SZ: Diese wird vermutlich niedrig sein. Betrübt Sie das?

Petschke: Die Diskussion um die Wahlbeteiligung ist schädlich und kontraproduktiv. Wir sollten uns mehr den Inhalten zuwenden.

SZ: Aber sagt die Wahlbeteiligung nicht etwas über die Begeisterung des Bürgers für die EU aus?

Petschke: Wenig. Schließlich gibt es den schon erwähnten nationalen Kontext. Es handelt sich um keine Abstimmung über Europa. Ein gutes Ergebnis stärkt die Abgeordneten. Im Umkehrschluss beschneidet ein schlechtes Ergebnis aber nicht die Legitimität der EU oder des Parlaments. In der Schweiz ist die Beteiligung an Volksabstimmungen oft sehr gering. Die Legitimität des Volksspruchs wird deshalb nicht in Zweifel gezogen.

SZ: Auf die Wahlbeteiligung kommt es also nicht an?

Petschke: Doch. Es wird in einigen EU-Ländern, nicht in Deutschland, politische Gruppierungen geben, die eine geringe Wahlbeteiligung instrumentalisieren wollen. Insofern wäre es gut, wenn viele Menschen zur Wahl gehen.

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