Europawahl 2024:Krah hält seinen Ausschluss aus AfD-Delegation für „Irrweg“

Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl 2024, nennt seinen Ausschluss aus der Delegation seiner Partei in Brüssel einen "Irrweg" (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Der Spitzenkandidat der AfD wird nicht Teil der Delegation seiner Partei im Europaparlament. Jetzt teilt er gegen die Entscheidung aus. Frankreichs rechtsextremer RN will weitere Rechte um sich scharen.

Alle Entwicklungen im Liveblog

Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.

Wichtige Updates

SPD diskutiert über EU-Wahlplakate mit Bundeskanzler Scholz

Frankreichs Rassemblement National umwirbt weitere Rechte

Krah hält seinen Ausschluss aus AfD-Delegation für "Irrweg“

Scholz: Ampel muss sich weiter anstrengen, damit Zustimmung wieder steigt

FDP nennt Bedingungen, um von der Leyen zu unterstützen

Julia Daniel
Julia Daniel

Ende der Liveberichterstattung


Hiermit verabschiedet sich die SZ aus der Live-Berichterstattung zur Europawahl 2024. Natürlich behalten unsere Korrespondenten weiterhin im Blick, wie sich die neuen Fraktionen formieren und ob es Ursula von der Leyen gelingt eine Mehrheit für ihre zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin zu organisieren.

Alle Texte, Analysen und Kommentare zur Europawahl finden Sie weiterhin auf unserer Themenseite:
Philipp Saul
Philipp Saul

SPD diskutiert über EU-Wahlplakate mit Bundeskanzler Scholz

Ist der Kanzler Schuld am schlechten Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl? Offiziell stellen sich alle Ampel-Politiker inklusive der dauerzankenden Koalitionspartner hinter Olaf Scholz. Innerparteilich gibt es aber bereits eine Diskussion. Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer hat die Frage aufgeworfen, ob es richtig war, mit Scholz auf Plakaten geworben zu haben. Im Interview mit dem Spiegel sagt der Chef der SPD-Jugendorganisation: "Das war ein Fehler." Hätte die SPD die Wahl gewonnen, so Türmer, dann wäre das als Bestätigung der Ampelkoalition und als Stärkung des Kanzlers gewertet worden. "Nun haben wir sie verloren. Also gilt das Gegenteil."

Türmer nennt die Wahl "eine Abstimmung über die Ampelpolitik – und über Olaf Scholz, den wir überall plakatiert haben". Es sei diesem nicht gelungen, die Stimmung zu drehen und ein Aufbruchssignal zu senden, so der Chef der SPD-Jugendorganisation. Er drängt in dem Interview auf "mehr sozialdemokratische Linie" bei Scholz. 

Die Parteivorsitzende Saskia Esken widerspricht im ZDF-"Morgenmagazin" und verteidigt die Plakatierung mit dem Kanzler. Scholz sei Regierungschef des bevölkerungsreichsten EU-Mitgliedstaates und spiele als Mitglied des Europäischen Rates eine wichtige Rolle auf europäischer Bühne. 

Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP sieht Esken in der Pflicht, öffentlichen Streit zu vermeiden. "Wir müssen jetzt zusammenarbeiten", mahnt die SPD-Chefin. Auch mit Blick auf die schwierigen Haushaltsverhandlungen fügt sie hinzu: "Das müssen wir auch in großer Einigkeit tun."
Philipp Saul
Philipp Saul

Ramelow und Wüst sorgen sich nach starken AfD-Ergebnissen im Osten um „emotionale Einheit“

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warnt angesichts der starken AfD-Ergebnisse bei der Europawahl in Ostdeutschland vor einer wachsenden Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschen. „In sozialen Netzwerken lese ich nach der Europawahl jetzt Sätze wie: 'Wo bleibt die Dankbarkeit der Ostdeutschen?' Das sind Fragen, die wir jetzt gerade nicht brauchen“, sagte Ramelow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) äußerte sich besorgt und will nach eigenen Angaben mehr Gespräche zwischen Ost- und Westdeutschen arrangieren.

Er habe den Eindruck, dass viele Menschen aus Nordrhein-Westfalen noch nie in den ostdeutschen Ländern gewesen sind. „Mancher kennt sich auf Mallorca besser aus als in Sachsen oder Thüringen“, sagte Wüst dem RND. Der CDU-Politiker schlug einen Austausch vor, „wie wir ihn von europäischen Städtepartnerschaften kennen“. Das schaffe Vertrauen und öffne "Perspektiven für mehr Verständnis untereinander".

Ramelow sagte dem RND, der Osten habe sich nicht für Wahlergebnisse zu entschuldigen. Man solle ihn vielmehr als Chance begreifen. „Stattdessen geht die emotionale Einheit zunehmend krachen. Dass man von Ostdeutschen Dankbarkeit erwartet, treibt diese Spirale weiter an“, sagte der aus Westdeutschland stammende Linkenpolitiker.
Lars Langenau
Lars Langenau

Umweltbundesamt: Rechtspopulisten gefährden Kampf gegen Klimakrise

Rechtspopulisten und autokratische Regierungen gefährden aus Sicht des Präsidenten des Umweltbundesamts (UBA), Dirk Messner, weltweit den Kampf gegen die Erderhitzung. Ein Rechtsruck in Europa, eine neue Präsidentschaft des Republikaners Donald Trump in den USA und eine autoritär strukturierte Regierung in China seien "keine Welt, in der wir Klimaneutralität und eine Stärkung unserer ökologischen und ökonomischen Leistungsfähigkeit wirklich umsetzen könnten“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Um die Klimakrise einzudämmen und gut in die Zukunft zu kommen, seien globale Kooperation, die Stabilisierung der Weltordnung sowie deren Weiterentwicklung von fundamentaler Bedeutung. Damit weltweit Klimaneutralität erreicht werden kann, müsse ein systemischer Umbruch vollzogen werden, mahnte er. „Dabei geht es nicht nur um einzelne Grenzwerte, Anreize oder Verbote, sondern um den Umbau sektoraler Rahmenbedingungen, um Wirtschaft und Konsummuster in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten.“ 

Messner sagte, wie in der Politik gebe es auch unter den Bürgerinnen und Bürgern Deutschlands Menschen, die den Klimawandel und dessen Auswirkungen leugnen. „Aber der große Teil, etwa 90 Prozent, hält eine Transformation zur Klimaneutralität auch in dem engen Zeitrahmen für dringend geboten und wichtig. Und diese Zahl hält sich seit rund 15 Jahren ziemlich stabil.“
Lars Langenau
Lars Langenau

Merz betont Distanz zu Wagenknecht

CDU-Chef Friedrich Merz möchte nicht mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kooperieren. Auf die Frage, ob er bereit sei, über eine Zusammenarbeit oder Koalition mit dem BSW nachzudenken, um AfD-Ministerpräsidenten im Osten zu verhindern, sagte Merz in der ARD: "Das ist völlig klar, das haben wir auch immer gesagt. Wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen.“ Er fügte hinzu, für Wagenknecht gelte beides: "Sie ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem.“ Merz betonte: "Wir wollen Mehrheiten gewinnen.“ Anders als die AfD wird das BSW bislang nicht vom Verfassungsschutz beobachtet und von diesem auch nicht als extremistisch eingestuft.

Im September stehen Landtagswahlen in den drei ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen an. Bei der Europawahl war die AfD im Osten klar stärkste Kraft geworden. Mit Blick auf die Landtagswahlen könnte die Mehrheitsbildung deshalb kompliziert werden. Da die Anfang des Jahres gegründete Wagenknecht-Partei in Ostdeutschland besonders viel Anklang findet, könnte sie ein Machtfaktor werden. 

Beim BSW stieß Merz' Äußerung prompt auf scharfe Kritik. Diese sei "extrem dämlich“, erklärte der Spitzenkandidat der Partei für die Europawahl, Fabio De Masi, auf der Plattform X. Vielleicht habe sich zu Merz noch nicht herumgesprochen, "dass es Leute in der CDU gibt, die extrem oft beim BSW anrufen! Man will ja im Osten regieren!“ 

Die CDU hat Koalitionen oder eine ähnliche Form der Zusammenarbeit mit der AfD oder der Linken vor Jahren per Parteitagsbeschluss ausgeschlossen. Zum BSW, der am Sonntag bundesweit aus dem Stand auf 6,2 Prozent kam, gibt es bislang keine klare Positionierung. CDU-Bundesvize Karin Prien hatte Anfang Mai eine Zusammenarbeit mit dem BSW nach den drei ostdeutschen Landtagswahlen nicht ausgeschlossen und gesagt: "In den Ländern wird man schauen müssen, welche Persönlichkeiten dort für das BSW antreten und welche politischen Ziele in den Wahlprogrammen stehen. Danach kann man entscheiden, ob es vor Ort eine Grundlage für eine Zusammenarbeit mit dem BSW gibt.“
Lars Langenau
Lars Langenau

Frankreichs Rassemblement National umwirbt weitere Rechte

Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) in Frankreich will nach ihrem Sieg bei der Europawahl für die Neuwahl des französischen Parlaments weitere Rechte um sich scharen, auch aus der rechtsextremen Partei Reconquête. "Ich selbst bin vollkommen bereit, mit Persönlichkeiten zu diskutieren, die nicht aus dem Rassemblement National stammen und die den Ehrgeiz teilen, in einigen Wochen einen Teil unserer Ideen an die Macht zu bringen und - auch im Rahmen einer Kohabitation - den Wiederaufbau des Landes einzuleiten“, sagte RN-Parteichef Jordan Bardella. Eine Kohabitation bedeutet in Frankreich, dass der Präsident und der Premierminister unterschiedliche politische Richtungen vertreten.

Ein erstes Treffen hatte Bardella am Montag mit der Spitzenkandidatin von Reconquête für die Europawahl, Marion Maréchal. "Ich wollte mich mit ihr unterhalten und über unser heutiges Bestreben sprechen, eine möglichst breite Mehrheit zu bilden.“ Mit anderen Rechten wolle das RN als nationale Union bei der Parlamentswahl mit dem Ziel antreten, die Regierung und das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen, sagte Bardella. Mit Maréchal seien noch keine Vereinbarungen getroffen worden. "Im Moment geht es um Diskussionen.“

Das RN kam bei der Europawahl auf 31,4 Prozent der Stimmen, Reconquête erzielte 5,5 Prozent. Maréchal ist die Nichte der RN-Führungsfigur Marine Le Pen und war früher in deren Partei aktiv, ehe sie vor gut zwei Jahren in die rechtsextreme Konkurrenzpartei wechselte. Le Pen kündigte am Montagabend an, erneut für einen Sitz in der Nationalversammlung zu kandidieren. Bei einem Sieg des RN solle Bardella Ministerpräsident werden, so Le Pen zum Fernsehsender TF1.

"Es scheint mir offensichtlich, dass die eine Million Wähler von Reconquête an diesem Schwung um das RN teilnehmen müssen“, sagte Maréchal nach einer ersten Diskussion mit Bardella und ihrer Tante. Das RN wünsche sich "mit denjenigen bei Reconquête zusammenzuarbeiten, die eine konstruktive Haltung gegenüber dem RN eingenommen haben“. Ein Hemmschuh eines rechten Schulterschlusses könnte Reconquête-Präsident Éric Zemmour sein, der mit dem RN über Kreuz liegt. Französische Medien spekulieren auch über eine Rückkehr von Maréchal zum RN.
Lars Langenau
Lars Langenau

Krah hält seinen Ausschluss aus AfD-Delegation für "Irrweg“

Nach seinem Ausschluss aus der AfD-Delegation im neuen Europaparlament will sich der umstrittene Abgeordnete Maximilian Krah vorerst nicht auf eigene Faust einer rechten Fraktion anschließen. "Meine Kollegen glauben, dass sie in die ID zurückkommen und sie bessere Chancen haben, wenn sie auf mich verzichten. Ich halte das für einen Irrweg, aber ich respektiere das“, sagte Krah dem Portal Politico. ID, kurz für Identität und Demokratie, ist eine Fraktion rechtspopulistischer und nationalistischer Parteien.

Er werde aus der Beobachterposition diesen Versuch anschauen, sagte Krah. "Ich sage Ihnen jetzt schon: Er wird scheitern. Danach werden die Karten neu gemischt.“ Weiter sagte Krah, eine neue Fraktion sollte sich die AfD im EU-Parlament nur gemeinsam suchen. Es gebe viele neue, rechte Parteien im Parlament. "Die sind jung, die sind kreativ. Die sind keineswegs schmuddelig. Und wir sollten tatsächlich den Mut haben, solchen Parteien, die gerade in die Nähe der AfD suchen, auch unsere Hand zu reichen.“
Lars Langenau
Lars Langenau

Kubicki: SPD und Grüne müssen sich auf FDP zubewegen

Als Konsequenz aus der Europawahl hat der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki ein Entgegenkommen der Koalitionspartner SPD und Grüne gefordert. „Selbstverständlich müssen sich unsere Koalitionspartner bei ihren dramatisch schlechten Ergebnissen auf die Freien Demokraten zubewegen“, sagte er der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten.

Alle drei Ampel-Parteien hatten bei der Europawahl verloren - die FDP im Gegensatz zu ihren Partnern aber nur leicht. Die Sozialdemokraten, die im Wahlkampf auch auf Kanzler Olaf Scholz als Zugpferd setzten, fielen auf 13,9 Prozent (2019: 15,8 Prozent) - ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt. Die Grünen rutschen ab auf 11,9 Prozent (20,5). Die FDP kommt auf 5,2 Prozent (5,4). Kubicki sagte, der Wahlsonntag zeige: „Der vor allem von den Grünen verfolgte politische Ansatz, den Menschen zu erklären, wie sie sich zu verhalten haben, ist an ein Ende gekommen.“ Die Menschen wendeten sich ab, „sowohl von demokratischen Prozessen im Allgemeinen, als auch in Richtung derer, die die Grünen und Sozialdemokraten eigentlich bekämpfen wollen“.
Katja Guttmann
Katja Guttmann

AfD-Chef Chrupalla zu Erfolg bei jungen Wählern: „Macht mich stolz“ 

AfD-Parteichef Tino Chrupalla hat sich erfreut über das gute Abschneiden seiner Partei bei jungen Wählern geäußert. Es mache ihn stolz, dass die Jugend „den Kopf zum Denken benutzt“ habe und sich von öffentlich-rechtlichen Medien „nicht mehr beeinflussen“ lasse, erklärte Chrupalla. Die jungen Menschen hätten erkannt, dass im Land „eine Opposition vernichtet werden“ solle. Sie würden spüren, dass die AfD „nicht gerecht behandelt“ und „ausgegrenzt“ werde.

Die AfD konnte bei der Europawahl bei jüngeren Menschen im Vergleich zur Wahl 2019 noch mal deutlich zulegen. Sie erreichte unter den 16- bis 24-Jährigen 16 Prozent - elf Prozentpunkte mehr als 2019. Erstmals konnten bei dieser Europawahl auch junge Menschen ab 16 Jahren wählen. Chrupalla nannte die Senkung des Wahlalters, von der seine Partei sehr wahrscheinlich profitiert hat, einen „Trick der grünen Populisten“. Dieser Trick sei „nach hinten losgegangen“, erklärte Chrupalla. Auch das mache ihn stolz.
Nadja Lissok
Nadja Lissok

Scholz: Ampel muss sich weiter anstrengen, damit Zustimmung wieder steigt

Mit 13,9 Prozent hat die Kanzlerpartei SPD das schlechteste Ergebnis eingefahren, seit sie 1891 erstmals unter diesem Namen bei einer gesamtstaatlichen Wahl antrat. Bundeskanzler Olaf Scholz war im Wahlkampf sehr präsent, eine persönliche Verantwortung für das Wahldebakel will er aber weiter nicht eingestehen. „Das Wahlergebnis war für alle drei Regierungsparteien schlecht“, ist seine Antwort bei einer Pressekonferenz in Berlin. Keiner sei gut beraten, direkt zur Tagesordnung überzugehen. Es müsse „jetzt für alle der Maßstab sein, sich anzustrengen und die Aufgaben zu lösen, vor denen wir stehen.“ Dann würde auch die Zustimmung zur Ampel-Koalition wieder steigen. Sorgen machen müsse man sich über die Stimmen für rechtspopulistische Parteien in Deutschland und anderen Ländern. Es gebe aber eine klare Mehrheit in Europa für Parteien, die sich klassisch für Demokratie und Rechtsstaat einsetzten. 

Scholz plädierte außerdem dafür, dass sich die 27 EU-Regierungen und das neue Europäische Parlament "schnell und zügig" über das neue EU-Spitzenpersonal einigen. "Es gibt keinen Anlass, sich damit viel zu lange aufzuhalten.“ Scholz betonte mit Blick auf die amtierende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass es bei der Position der Bundesregierung bleibe, dass sich "die Kommissionspräsidentschaft auf eine demokratische Mehrheit traditioneller demokratischer Parteien im Europäischen Parlament stützen muss". Hintergrund ist, dass die Ampel-Parteien es ablehnen, dass die CDU-Politikerin für ihre Wahl im Europäischen Parlament auch mit der Rechtsaußen-Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni spricht. Von der Leyen kündigte am Montag allerdings an, dass die konservative EVP jetzt mit den europäischen Sozialdemokraten und Liberalen sprechen wolle.

Lesen Sie hier, wie die SPD mit der Wahlniederlage umgeht (mit SZ Plus):
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Corona-Maßnahmen-Kritiker Pürner ins Parlament gewählt

Dass ein Amtsarzt aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit überregionale Bekanntheit erlangt, ist selten. Bei Friedrich Pürner war das der Fall, es waren aber auch besondere Zeiten und Umstände. Im Jahr 2020 leitete er das Gesundheitsamt Aichach-Friedberg in Bayern und kritisierte ein ums andere Mal die (damals sehr strenge) Corona-Politik der Staatsregierung: die Maskenpflicht, die Lockdowns, die Orientierung an den Inzidenzen, die Impfkampagnen. Nach einigen Monaten wurde er von diesem Posten abberufen und erst ans Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit versetzt, später an die Regierung von Oberbayern. Diese Vorgänge machten ihn noch bekannter.

Künftig wird Pürner in Brüssel oder Straßburg tätig sein: Die Deutschen haben ihn ins Europaparlament gewählt. Pürner kandidierte für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) - auf Platz sechs der Liste. Und da das BSW sechs Mandate errungen hat, hat das für Pürner gereicht. Im Parlament will er in einem Ausschuss die Rolle von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Beschaffung der Corona-Impfstoffe untersuchen lassen, wie er sagt. 
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Grüne und SPD: 16-Jährige sollen auch bei Bundestagswahl abstimmen dürfen

Bei jungen Erstwählerinnen und Erstwählern haben SPD und Grüne schlecht abgeschnitten. Gleichwohl halten beide Parteien an ihrem Vorhaben fest, dass künftig auch schon 16-Jährige den Bundestag wählen dürfen. "Wir haben das Wahlalter nicht gesenkt, weil wir gedacht haben, dass es uns was bringt, sondern weil wir es für richtig erachten", sagt der Parteivorsitzende Omid Nouripour. Menschen, die man für mündig halte und stark in der Meinungsbildung, sollten die Chance bekommen, über ihre eigene Zukunft demokratisch abzustimmen. "Und dementsprechend ist und bleibt eine solche Reform richtig."

Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat nach der Europawahl erklärt, weiterhin ein Wahlalter von 16 Jahren anzustreben. SPD, Grüne und FDP haben das auch in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Dafür müsste aber das Grundgesetz geändert werden - das geht nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag, also nur mit den Stimmen von CDU und CSU. Diese lehnen das Ansinnen weiter ab, wie CDU-Chef Friedrich Merz soeben erst bekräftigt hat.

Bei der Europawahl durften erstmals Wähler ab 16 Jahren abstimmen, nach einer entsprechenden Reform der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Nachwahlumfragen zeigen, dass die jungen Wähler am Sonntag ihr Kreuz überdurchschnittlich häufig bei der AfD oder kleinen Parteien wie Volt gemacht haben; die Ampelparteien und die Union schnitten in dieser Altersgruppe eher schwach ab.

Eine Analyse des Wahlverhaltens der Jungen von Vivien Götz (SZ Plus): 
Kassian Stroh
Kassian Stroh

FDP nennt Bedingungen, um von der Leyen zu unterstützen

Als Spitzenkandidatin der europäischen Konservativen kann sich Ursula von der Leyen als Wahlsiegerin feiern lassen. Und als solche will sie die EU-Kommission auch die nächsten fünf Jahre führen. Dafür muss sie von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union nominiert und vom Parlament bestätigt werden. In diesem Prozess kommt der deutschen FDP nicht die geringste Rolle zu: Als Teil der Bundesregierung redet sie bei der Nominierung mit, als Teil der liberalen Renew-Fraktion gehören ihre Abgeordneten zu jener Mehrheit im Europaparlament, von der sich von der Leyen wählen lassen möchte.

Vor diesem Hintergrund ist erwähnenswert, was FDP-Chef Christian Lindner nach der Wahl als "inhaltliche Bedingungen" dafür genannt hat, dass seine Partei eine weitere Amtszeit von der Leyens unterstützt. „Eine Kommissionspräsidentin sollte keine Initiative für europäische Gemeinschaftsschulden ergreifen“, fordert er. „Zweitens erwarten wir die Fortsetzung der konsequenten Migrationseinwanderungs- und Asylpolitik der Europäischen Kommission.“ Zudem dürfe es kein Verbot des Verbrennungsmotors durch eine nächste Kommission geben. „Die getroffenen Entscheidungen dazu sind zu revidieren“, forderte Lindner. 

Am Montag wurde in der CDU-Pressekonferenz von der Leyen auf diese Bedingungen angesprochen und gefragt, ob sie gegebenenfalls auch schriftlich inhaltliche Zusagen machen würde. Diese Frage ignorierte sie aber und ging nicht darauf ein. Die FDP fordert von der Kommissionspräsidentin nicht weniger als einen völligen Kurswechsel: „Ursula von der Leyen ist in der pole position, sie ist aber nicht am Ziel", sagte Parteichef Lindner. "Für uns Freie Demokraten ist es essenziell, dass die Politik der vergangenen fünf Jahre nicht fortgesetzt wird.“
Max Fluder
Max Fluder

BSW sieht sich durch Europawahl bestätigt, will bei Landtagswahlen zweistellige Ergebnisse einfahren

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sieht sich durch das Abschneiden der neu gegründeten Partei bestätigt. Mit einem Stimmenanteil von 6,2 Prozent hat die Partei sechs Mandate im EU-Parlament erlangt. "Das ist mehr, als ich erwartet hatte", sagte Sahra Wagenknecht in Berlin. Es sei ein "wunderbarer Start". Der Fokus liege jetzt auf den Landtagswahlen im Osten und dem weiteren Aufbau der Partei, die bisher nur etwa 600 Mitglieder hat. 

Bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg will die Partei zweistellige Ergebnisse einfahren. Die jetzigen Resultate im Osten von der Europawahl sollten nach Möglichkeit noch ausgebaut werden, sagte Wagenknecht und gab eine Bedingung aus: Ihre neue Partei werde im Osten keine Koalition eingehen, die für ein Weiter-so stehe.
Kassian Stroh
Kassian Stroh

Union: Scholz muss von der Leyen als Kommissionspräsidentin vorschlagen

Nach dem Erfolg der EVP bei der Europawahl fordern CDU und CSU von der Bundesregierung, sie müsse nun die Spitzenkandidatin der EVP, Ursula von der Leyen, als Kommissionspräsidentin unterstützen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse sie für dieses Amt vorschlagen, sagten CDU-Chef Friedrich Merz und Manfred Weber, der Spitzenkandidat der CSU und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), in dem sich die konservativen Parteien zusammengeschlossen haben.

„Wir bieten jetzt Sozialdemokraten und Liberalen die ausgestreckte Hand an und ich warte auf Rückmeldung“, sagte Weber am Morgen im Deutschlandfunk mit Blick auf eine mögliche Mehrheit im Parlament, die von der Leyen wählen müsste. "Wer Demokratie im Mund trägt, wer Demokratie einfordert, der muss jetzt auch öffentlich sagen, dass er Ursula von der Leyen als Kandidatin der größten Partei, der Wahlgewinner, auch für das Amt der Kommissionspräsidentin unterstützt."

Auch von der Leyen will sich auf eine breite Mehrheit stützen, wie sie bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung des CDU-Präsidiums sagte. Die EVP sei "mit Abstand" die stärkste Kraft im neuen Europaparlament, sie sei ein Anker für Stabilität in Europa. Von der Leyen deutete an, dass sie erneut von Sozialdemokraten und Liberalen gewählt werden wolle, mit denen sie nun sprechen wolle. Mit ihnen habe sie fünf Jahre lang gut und "vertrauensvoll" zusammengearbeitet. Die Grünen, die viertgrößte Fraktion im EU-Parlament, erwähnte von der Leyen in diesem Zusammenhang nicht, schloss Gespräche zu einem späteren Zeitpunkt aber nicht aus.

Jan Diesteldorf, Josef Kelnberger und Hubert Wetzel, die SZ-Korrespondenten in Brüssel, über die Aussichten von der Leyens auf eine zweite Amtszeit (SZ Plus):
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