Europawahl 2014:Hürdenlos glücklich

Es könnte die Wahl der Kleinen, der Splittergruppen, der lokalen Initiativen werden: Nach dem Wegfall der Drei-Prozent-Hürde hoffen mehrere Miniparteien auf einen Sitz in Straßburg. 25 Parteien und Initiativen stehen auf den deutschen Stimmzetteln. Wir stellen die chancenreichsten und skurrilsten vor.

Von Marc Zimmer

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A man walks past an election poster of Lucke, chairman of German anti-euro party the AfD, for the European elections in Berlin

Quelle: Reuters

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Es könnte die Wahl der Kleinen, der Splittergruppen, der lokalen Initiativen werden: Nach dem Wegfall der Drei-Prozent-Hürde hoffen mehrere Miniparteien auf einen Sitz in Straßburg, insgesamt 25 stehen auf den deutschen Stimmzetteln. Wir stellen die chancenreichsten und skurrilsten vor.

Wie sich am Wahlsonntag zeigt, hätte die "Alternative für Deutschland" (AfD) auch ohne den Wegfall der Drei-Prozent-Hürde den Sprung ins Europaparlament geschafft. Somit zählt sie nicht wirklich zu den "Mini-Parteien".

Ein Jahr nach ihrer Gründung erhält sie bei der Europawahl knapp 7 Prozent der Stimmen, nachdem sie bei der Bundestagswahl 2013 mit 4,7 Prozent der Zweitstimmen noch knapp den Einzug in den Bundestag verpasst hatte. Die AfD wurde erst 2013 aus Kritik am Umgang der Bundesregierung mit der Eurokrise gegründet.

Die AfD startete als Anti-Euro-Partei. Sie tritt für eine geordnete Auflösung der Euro-Währungsunion auf. Für die Europawahl hat sie sich thematisch breiter aufgestellt. Im Programm finden sich auch die Themen Familie Energie, Zuwanderung sowie Bildung. Im Wahlkampf musste sie sich immer wieder Vorwürfe gefallen lassen, bewusst auch Wähler am rechten Rand anzusprechen. So findet sich etwa im Wahlprogramm der AfD in Sachsen die Forderung: "Keine Unterstützung für Integrationsfolklore". Die Bundeszentrale für politische Bildung stuft die Partei als rechtspopulistisch ein

Bundesparteitag der Freien Wähler

Quelle: picture alliance / dpa

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Die Freien Wähler sind ein Dachverband verschiedener kommunaler Wählergemeinschaften und Initiativen. Erstmals schafften sie es bei der Bayerischen Landtagswahl 2008, in ein Landesparlament einzuziehen. Bei der vergangenen Bundestagswahl gewannen sie ein Prozent der Stimmen.

Mit ihrer schillernden Spitzenkandidatin Gabriele Pauli erhielten die Freien Wähler bei der vergangenen Europawahl 1,7 Prozent der gültigen Stimmen. Damit waren sie unter den kleinen Parteien die erfolgreichsten, es nützte ihnen aber nichts. Weil sie unter der damals geltendenden Fünf-Prozent-Hürde blieben. 2014 holen sie etwa gleich viele Stimmen, ziehen aber dank Wegfall der Sperrklausel ins Straßburger Parlament ein.

Die Freien Wähler bezeichnen sich selbst als unabhängig, wertkonservativ und bürgerlich-sozial.

Wahlplakate

Quelle: dpa

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Die Piratenpartei Deutschland besteht seit 2006. Nach dem Vorbild der schwedischen Piratpartiet verstehen sie sich als Partei der Informationsgesellschaft.

Die Piraten konnten in Deutschland schnell politische Erfolge feiern und zogen bis 2012 in vier Landesparlamente ein. Im vergangenen Jahr verpassten sie allerdings bei den Landtagswahlen in Niedersachsen, Bayern und Hessen sowie der Bundestagswahl jeweils die Fünf-Prozent-Hürde. Bei der vergangenen Europawahl holte die Partei 0,9 Prozent der Stimmen. 2014 verbessert sie ihr Ergebnis um 0,4 Prozent und gewinnt einen Sitz im Europaparlament.

Zwar liegt der Schwerpunkt der Piraten weiterhin auf Fragen von Transparenz und Bürgerrechten, in ihrem Europawahlprogramm fordern sie aber auch eine Stärkung des Europäischen Parlaments und befürworten die europäische Integration.

Tierschutzpartei

Quelle: Partei Mensch Umwelt Tierschutz

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Die Partei "Mensch Umwelt Tierschutz" (kurz: Tierschutzpartei) befasst sich seit ihrer Gründung 1993 vor allem mit Tierschutz, Tierrechten und Umweltpolitik. Sie fordert unter anderem die Aufnahme von Tierrechten ins Grundgesetz. Auf EU-Ebene wünscht sie sich eine Förderung von pflanzlichen Lebensmitteln und eine Reduzierung der Produktion von tierischen Lebensmitteln ein.

Seit 2001 schaffte die Tierschutzpartei den Einzug in einzelne Kommunalparlamente. Bei Bundestagswahlen lagen ihre Ergebnisse zwischen 0,2 und 0,5 Prozent. Eines ihrer besten Resultate auf überregionaler Ebene erreichte sie mit 1,1 Prozent bei den vergangenen Europawahlen. Diesen Trend setzt sie 2014 fort und erhält mit 1,3 Prozent eines der 96 deutschen Mandate.

Rep-Demonstrant

Quelle: picture-alliance / dpa

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Erstmals schickt die Bundesrepublik auch rechtsextreme Abgeordnete ins Europaparlament: Die Republikaner, die NPD und PRO NRW buhlten um die Wähler ganz rechtsaußen.

Die Republikaner verbinden rechtskonservative und rechtspopulistische Inhalte, bis 2005 wurden sie vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Wahlkampf wollen sie mit Hetze gegen "kriminelle Ausländer" punkten, warnen vor einer "Überfremdung" Deutschlands, wollen zurück zur D-Mark. Bei der Europawahl 2009 kam die rechtsextreme Partei auf 1,2 Prozent und hätte somit einen Europaabgeordneten gestellt, wenn die Sperrklausel nicht gegriffen hätte. 2014 büßten sie jedoch einen Großteil ihrer Stimmen ein und verpassen mit 0,4 Prozent der Stimmen den Einzug.

Bei dieser Europawahl hat die Partei gleich zwei Konkurrenten aus dem eigenen Lager: Die NPD, die bei der vergangenen Wahl nicht angetreten war, macht sich mit ihrem Spitzenkandidaten und ehemaliger Vorsitzende Udo Voigt Hoffnung auf einen Platz im Europaparlament. Die NPD tritt für einen völkischen Nationalismus ein, bei der vergangenen Bundestagswahl sorgte sie mit dem Plakat "Gas geben" für Ärger und Entsetzen. Tatsächlich erhält die NPD dank einem Prozent der Stimmen ein Mandat in Straßburg.

Auch die Bürgerbewegung PRO NRW ist der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge dem Spektrum der extremen Rechten zuzuordnen. In ihrer Programmatik verbindet sie insbesondere islamfeindliche und rechtsextreme Auffassungen und tritt mit klar rechtspopulistischen Positionen in unterschiedlichen Politikfeldern in Erscheinung. Sie konnte jedoch keine Abgeordneten ins Europaparlament entsenden.

Familienpartei

Quelle: Markus Kretzschmar / Foto Kretzs; Familienpartei

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Die Familienpartei Deutschlands (FAMILIE) wurde 1981 in Bayern als "Deutsche Familien-Partei e.V." gegründet. Sie ging aus dem Verein "Mutter als Beruf" hervor, der Ende der 1970er Jahre versucht hatte, bessere wirtschaftliche Verhältnisse für Mütter zu schaffen. Für die Europawahl 2014 wirbt sie mit dem Slogan "Starke Kinder. Starke Familien. Europa's Zukunft". Spitzenkandidat ist der Vorsitzende des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Arne Gericke.

Aktuell stellt die Familien-Partei kommunale Abgeordnete und Bürgermeister in den Bundesländern Saarland, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Bei der Europawahl 2009 erhielt sie ein Prozent der Stimmen; 2014 kommt sie auf 0,7 Prozent und erhält somit ein Mandat in Straßburg.

Bundesparteitag der ÖDP

Quelle: picture alliance / dpa

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Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) wurde 1982 gegründet. Ihre Wurzeln liegen in der Umweltbewegung der späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre. Sie orientiert sich nach eigenen Angaben an "christlich-humanistischen Werten".

Bundesvorsitzender der ÖDP ist seit 2010 Sebastian Frankenberger, der durch sein Volksbegehren "Für echten Nichtraucherschutz!" in Bayern bekannt wurde. Als Spitzenkandidaten schickt die Partei seinen Vorgänger Klaus Buchner ins Rennen.

Die ÖDP bekennt sich zwar zu Europa, fordert aber eine Reform der EU-Verträge. Unter anderem soll ein europaweit einheitliches Wahlrecht eingeführt werden. Zudem fordert sie einen unverzüglichen Atomausstieg der gesamten EU.

Die ÖDP war eine der Parteien die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen klagte - und gewann. Das zahlt sich 2014 aus: Mit 0,7 Prozent der Stimmen entsendet sie einen Abgeordneten ins EU-Parlament.

Die Partei

Quelle: Steffi Loos/CommonLens

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Die "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative" (Die PARTEI) wurde 2004 von Redakteuren des Satire-Magazins Titanic gegründet.

Die PARTEI fordert unter anderem die Einführung einer "Faulenquote" und die Begrenzung von Managergehältern auf das 25.000-fache eines Arbeiterlohns. Sie wirbt sie mit dem Slogan: "Ja, zu Europa. Nein, zu Europa."

Zur Bundestagswahl 2013 wurde Die PARTEI zugelassen und erreichte 0,2 Prozent der Zweitstimmen. Das beste Landesergebnis erzielte sie mit 1,0 Prozent in Berlin. Der Spitzenkandidat der PARTEI, der Satiriker Martin Sonneborn, gewinnt 2014 jedoch kein Mandat in Straßburg.

Sieben neue Parteien ziehen damit wohl 2014 ins Europaparlament ein - allein sechs von ihnen durch den Wegfall der Prozenthürde.

Einige andere Parteien und Listen konnten jedoch nicht vom Fehlen einer Sperrklausel profitieren...

Wahlplakt der 'Partei Bibeltreuer Christen'

Quelle: picture-alliance/ dpa

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Die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) sieht sich selbst als christlich-wertkonservativ und bezeichnet sich als "politische[s] Sprachrohr der Christen aus allen Kirchen".

Auf europäischer Ebene ist die Partei Mitglied der Europäischen Christlichen Politischen Bewegung (ECPM). Bei der letzten Europawahl erhielt die PBS 0,3 Prozent der Stimmen. Sie konnte 2014 nicht von dem Wegfall der Fünfprüzenthürde profitieren und gewinnt keinen Sitz im Europaparlament.

Die PBC ähnelt in ihrem Werteverständnis der Partei "Christliche Mitte - für ein Deutschland nach GOTTES Geboten" (CM), einer national-konservativen Kleinpartei, die nach ihrem Selbstverständnis ebenfalls christliche Werte vertritt. Die CM erhielt bei der Europawahl 2009 0,2 Prozent der Stimmen. Zur Bundestagswahl 2013 wurde sie zwar zugelassen, stellte aber weder eine Landesliste noch Wahlkreiskandidaten auf.

Auch die Partei "AUF - Partei für Arbeit, Umwelt und Familie - Christen für Deutschland" (AUF) will nach eigenen Angaben christliche Werte in die Politik bringen. Die Partei wurde 2008 in Berlin von ehemaligen Mitgliedern der PBC, der ÖDP und der Zentrumspartei gegründet, nachdem eine Fusion dieser drei Parteien gescheitert war.

Weder CM noch AUF konnten 2014 Mandate gewinnen.

Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, 2014

Quelle: Stephan Rumpf

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Auch die beiden kommunistischen Parteien konnten keine Abgeordneten ins EU-Parlament entsenden.

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wurde 1968 gegründet und ist die Nachfolgeorganisation der 1956 verbotenen KPD. Sie wird vom Verfassungsschutz beobachtet und als linksextremistisch eingestuft.

Die DKP schrumpfte von mehreren zehntausend Mitgliedern in den 80er Jahren seit der Wiedervereinigung auf zuletzt rund 3500.

Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) ging 1982 aus dem Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands hervor. Die Partei bezieht sich auf die Lehren von Marx, Engels und Lenin. Anders als andere kommunistische Parteien, verteidigt die MLPD auch das politische Wirken von Stalin und Mao Zedong. Erklärtes Ziel ist die Errichtung der Diktatur des Proletariats als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft.

Bild: Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz 2014.

Wahlplakat der Bayernpartei in München, 2014

Quelle: Stephan Rumpf

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Die Bayernpartei ist als regionale Partei ausschließlich in Bayern aktiv. Eines ihrer politischen Ziele ist, neben der Stärkung der Bürgerrechte und der Vereinfachung des Steuerrechtes, die Möglichkeit einer Volksabstimmung über den Austritt Bayerns aus dem deutschen Staatsverband. Gleichzeitig übt sie Kritik an der Verlagerung von Kompetenzen hin zu europäischen Institutionen.

Im ersten Deutschen Bundestag war die Bayernpartei mit 17 Abgeordneten vertreten. In Bayern erreichte sie bei der letzten Landtagswahl 2013 2,1 Prozent der Stimmen, bei der letzten Europawahl waren es 1 Prozent. Auch 2014 schafft die Bayernpartei den Einzug ins Europaparlament nicht.

Wahlplakate in Hannover

Quelle: dpa

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Die hier aufgeführten Parteien stellen eine Auswahl derer Parteien dar, die mit ihrem Ergebnis aus der letzten Europawahl eine relative Chance hatten, 2014 ins Europäische Parlament einzuziehen.

Eine Übersicht aller 25 kandidierenden Parteien, Initiativen und Listen erhalten Sie beispielsweise bei der Bundeszentrale für politische Bildung.

Weitere nützliche Linktipps zur Europawahl:

© Süddeutsche.de/mati
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