Europawahl 2009:Wählen gegen die "rechte Pest"

Die Parteien führten einen lustlosen Wahlkampf, doch jetzt steigt die Spannung - zumindest bei den Politikern. Ihre große Sorge: Geben die Menschen morgen ihre Stimme ab? Die Kanzlerin rechnet mit Verlusten, die SPD warnt vor den Rechten.

Mit letzten Kundgebungen haben die Parteien den Europawahlkampf beendet. Nun blicken sie mit Spannung auf die Wahlergebnisse an diesem Sonntag, bei der 64,3 Millionen Bürger aufgerufen sind, über die 99 deutschen Abgeordneten des Europaparlaments zu entscheiden.

Europawahl 2009: Der Wahlkampf ist zu Ende: Nun wird die Wahl an diesem Sonntag mit Spannung erwartet.

Der Wahlkampf ist zu Ende: Nun wird die Wahl an diesem Sonntag mit Spannung erwartet.

(Foto: Foto: AP)

Sorgen bereitet den Parteien die drohende niedrige Wahlbeteiligung, die schon vor fünf Jahren auf einen Tiefstand von 43 Prozent gesunken war. In den ersten zwei Stunden nach Öffnung der Wahllokale entsprach die Beteiligung in größeren Städten meist nur knapp der von 2004. Allerdings hat die Briefwahl deutlich zugenommen, ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die Bürger auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Es gehe um die Weichenstellungen für die Arbeit der Europäischen Union, sagte sie am Samstag bei einer Kundgebung in Heidelberg. SPD-Chef Franz Müntefering sagte bei einer Veranstaltung in Hannover mit Blick auf die Wahlbeteiligung: "Ich bin da nicht so pessimistisch."

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier appellierte auf der Abschlussveranstaltung der SPD zur Europawahl im Berliner Tempodrom an die Bürger, am Sonntag wählen zu gehen. Jede Stimme für Demokraten bedeute auch "keine Chance für Nationalsozialisten, Nazis und Radikale".

Steinmeier kritisierte in dem Zusammenhang das Ergebnis der rechtspopulistischen PVV in den Niederlanden bei der Europawahl. Steinmeier nannte es "beschämend", wenn in einem toleranten Land wie den Niederlanden die Rechtspopulisten der PVV 15 Prozent bekommen.

Linksparteichef und Spitzenkandidat Lothar Bisky warf Merkel und der großen Koalition vor, für das Desinteresse an der Europapolitik verantwortlich zu sein. "Ihre verfehlte Europapolitik hat dazu geführt, dass sich viele Menschen nicht für europäische Themen interessieren", erklärte er am Samstag.

In den 27 EU-Mitgliedsstaaten sind insgesamt 375 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. In einigen Staaten wie Großbritannien, Irland und den Niederlanden wurde bereits in den vergangenen Tagen gewählt. Unter den 64,3 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland sind 2,1 Millionen Bürger aus anderen EU-Staaten und 4,6 Millionen Erstwähler.

32 Parteien und sonstige politische Vereinigungen mit insgesamt 1196 Kandidaten bewerben sich um die 99 deutschen der künftig 736 Sitze im Europaparlament. Die Parteien führten einen weitgehend lustlosen Wahlkampf, in dem es inhaltlich keine herausragenden Themen gab.

Zugleich werden in Deutschland in sieben Bundesländern die Kommunalparlamente neu bestimmt: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. In Thüringen, Sachsen und dem Saarland finden wenige Wochen später am 30. August Landtagswahlen statt. Damit ist der kommende Sonntag auch ein wichtiger Stimmungstest im "Superwahljahr" und insbesondere für die Bundestagswahl am 27. September.

Müntefering: "Gegen die rechte Pest"

Der Wahlausgang werde sicherlich als ein Signal für die Bundestagswahl im September interpretiert werden, sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Roland Koch der Welt am Sonntag. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte dagegen im Sender NDR Info, die Bürger könnten sehr genau zwischen Bundestags- und Europawahl unterscheiden. Zudem sei das Wahlsystem verschieden. "Deswegen ist es zwar ein Fingerzeig, wie sich das Ganze in diesem Jahr weiter entwickeln kann, aber noch längst keine Vorentscheidung."

Die Grafik zur Europawahl Europawahl

Die Union hatte die Wahl 2004 mit 44,5 Prozent klar für sich entschieden. Die SPD landete nach schweren Verlusten von 9,2 Punkten nur noch bei 21,5 Prozent. Die Grünen verbesserten sich um 5,5 Punkte auf 11,9 Prozent. Die FDP schaffte mit 6,1 Prozent die Rückkehr ins Europaparlament. Die Linke (damals noch die PDS) kam auf 5,8 Prozent.

Die CDU/CSU ist seitdem mit 49 Abgeordneten im Europaparlament vertreten die SPD mit 23, die Grünen mit 13 und FDP sowie Linkspartei mit jeweils 7. Den Meinungsumfragen zufolge wird die CDU/CSU nun bei etwa 39 und die SPD bei 25 bis 26 Prozent liegen. FDP und Grüne kämen demnach jeweils auf 10, die Linke auf 8 Prozent.

Merkel sagte der Bild am Sonntag: "Wir wollen deutlich stärkste Partei vor der SPD werden." Zugleich wies sie darauf hin, dass es bei der Wahl 2004 eine "außergewöhnliche Situation" gegeben habe. Damals sei die rot-grüne Bundesregierung massiv in der Kritik gestanden und habe daher ein außergewöhnlich schlechtes Ergebnis erzielt. "Von der Schwäche der SPD konnte die Union als damals größte Oppositionspartei überdurchschnittlich profitieren."

Müntefering sagte in Hannover: "Die wichtigste Erfahrung ist, dass in den letzten ein, zwei, drei Tagen immer noch viel passieren kann." Im Interesse Deutschlands und Europas müsse man für eine gutes sozialdemokratisches Ergebnis sorgen. "Am Sonntagabend im Fernsehen sollte der rote Balken schön hoch gehen und der schwarze Balken unten bleiben", sagte der SPD-Chef. In den letzten ein, zwei Tagen könne sich beim Wählerwillen noch viel bewegen. Müntefering warnte zudem vor rassistischen Tendenzen in Europa.

Er rief dazu auf, alles gegen "die rechte Pest, die in Europa beginnt, sich wieder breitzumachen" zu tun. Diese Pest gebe es auch in Deutschland. "Eine solche Politik versucht im Sinne alter rassistischer Ideen, Probleme auf Minderheiten zu drücken." Müntefering spielte damit auf die niederländische Freiheitspartei (PVV) des Filmemachers Geert Wilders an. Die Rechten wollten den Menschen einreden, dass Minderheiten für die derzeitigen Probleme verantwortlich seien, kritisierte der SPD-Chef. In Deutschland und in Europa dürfe niemand wegen seiner Hautfarbe Religion Angst haben müssen oder beiseitegeschoben werden. Alle Menschen, in Deutschland, in Europa und außerhalb Europas "sind uns gleich viel wert", betonte er.

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