Europarat zur Schweinegrippe:WHO in der Kritik

Vorwurf der voreiligen Pandemie-Warnung: Die WHO habe sich bei der Beurteilung der Schweinegrippe von der Pharmaindustrie beeinflussen lassen - glaubt der Europarat.

Im Europarat ist harsche Kritik am Vorgehen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Umgang mit der Schweinegrippe laut geworden. Bei einer Anhörung warfen Experten und Abgeordnete der Organisation am Dienstag vor, die Schweinegrippe voreilig zur Pandemie erklärt zu haben. Dies habe zu "hysterischen Reaktionen" bei Regierungen und Medien geführt, sagte der Medizinprofessor Ulrich Keil von der Universität Münster.

Keiji Fukuda, WHO, AFP

Er hat eingeräumt, dass "einzelne Personen" möglicherweise Interessenskonflikte mit der Pharmaindustrie verschwiegen haben: Keiji Fukuda, der WHO-Berater für Grippe-Pandemien, auf einem Archivfoto.

(Foto: Foto: AFP)

Der Berater für Grippe-Pandemien der WHO, Keiji Fukuda, wies die Kritik entschieden zurück. Die WHO habe rasch handeln müssen, um zahlreiche Grippetote zu vermeiden, sagte er.

Fukuda wies auch Vorwürfe zurück, wonach die Pharmaindustrie die Entscheidungen der WHO in Sachen Schweinegrippe beeinflusste. Die von der WHO herangezogenen Experten hätten die Organisation "neutral und unparteiisch" beraten, Interessenskonflikte habe es nicht gegeben, sagte er im Gesundheitsausschuss der Parlamentarier-Versammlung des Europarats.

Interessenkonflikt "einzelner Personen"

Auf hartnäckiges Nachfragen von Abgeordneten räumte der Japaner allerdings ein, dass "einzelne Personen" möglicherweise Interessenskonflikte verschwiegen haben.

Der Franzose Luc Hessel von der europäischen Vereinigung der Impfstoffhersteller bestätigte, dass es bereits vor Ausrufung der Pandemie durch die WHO im Juni Verträge zwischen einzelnen Regierungen und Pharma-Unternehmen für den Aufkauf von Impfstoffen gab. Wenn eine Pandemie ausbreche, müsse sehr schnell gehandelt werden. "Dann gibt es keine Zeit mehr für Verhandlungen".

Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Arzt Wolfgang Wodarg kritisierte vor allem, dass die Definition für eine Pandemie von der WHO im vergangenen Mai geändert wurde. Ausschlaggebend sei nun nur noch, dass sich ein neues Virus sehr rasch ausbreite, erläuterte Wodarg, der bis vor kurzem den Gesundheitsausschuss der Parlamentarier-Versammlung leitete.

Die Schwere einer Krankheit spiele hingegen keine Rolle mehr. So sei die vergleichsweise harmlose Schweinegrippe zur Pandemie "hochgespielt" worden. Millionen von Menschen, darunter viele Kinder, seien mit unzureichend getesteten Stoffen geimpft worden.

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