Europäischer Gerichtshof:Rechtssicherheit für Aufsichtsräte

Die Mitbestimmung in Deutschland hält EU-Regeln stand. Ein Urteil sichert die Rechte von Arbeitnehmern.

Von Detlef Esslinger

An der deutschen Mitbestimmung muss sich nichts ändern. Die Gesetze dazu entsprechen europäischem Recht und gefährden nicht die Freizügigkeit. Dies entschied am Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Der EuGH hatte sich mit der Klage des Berliner Aktionärs Konrad Erzberger zu befassen, die dieser gegen den Reisekonzern Tui angestrengt hatte. Erzberger fand, es verstoße gegen EU-Recht, dass nur die 10 000 Tui-Arbeitnehmer in Deutschland die Aufsichtsräte des Konzerns wählen dürfen - nicht aber die 40 000 Arbeitnehmer in anderen EU-Staaten. Unter anderem argumentierte er, dies könne einen Tui-Arbeitnehmer, der bereits Aufsichtsrat sei, von einem Wechsel auf einen Tui-Arbeitsplatz im Ausland abhalten. Die Luxemburger Richter hingegen sahen in den deutschen Regeln keinen Verstoß gegen das Gebot der Freizügigkeit. Sie gibt zwar jedem Arbeitnehmer das Recht, sich zur Jobsuche frei in der EU zu bewegen. Aber sie garantiere nicht, "dass ein Umzug in sozialer Hinsicht neutral sein wird". Die Gesetze in den EU-Staaten seien nun mal verschieden, ein Umzug könne "je nach Einzelfall Vorteile oder Nachteile" haben.

Die deutschen Gewerkschaften zeigten sich erleichtert. Die Mitbestimmungskritiker hätten Schiffbruch erlitten, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Das Urteil sei ein großer Erfolg für die Demokratie in der Wirtschaft. Der Chef der DGB-eigenen Hans-Böckler-Stiftung, Michael Guggemos, sagte, damit sei "eine akute Gefahr für die Rechte von Millionen Arbeitnehmern abgewehrt". Hätte die Klage Erfolg gehabt, hätten möglicherweise alle Arbeitnehmer in deutschen Konzern-Aufsichtsräten ihre Sitze räumen müssen. Die Stiftung finanziert sich aus deren Tantiemen. Der Anwalt des unterlegenen Klägers, Caspar Behme, sagte der SZ, es sei trotzdem richtig gewesen, den Prozess zu führen. "Es gab zu dem Thema unterschiedliche Meinungen unter den führenden Juristen", sagte er. "Und nun haben wir Rechtssicherheit."

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