Europäischer Flugverkehr normalisiert sich:Die Luft ist rein, das Chaos bleibt am Boden

Europas Fluglinien können nach sechs Tagen Zwangspause wieder starten. Der Luftraum ist weitgehend frei, doch an den Flughäfen wird es noch tagelang Turbulenzen geben.

Fast ist es an diesem Mittwoch wieder wie immer am Frankfurter Flughafen. Das übliche Stimmengewirr und die Geräusche von Stöckelschuhen und von Gepäckwagen sowie Rollkoffern haben die Stille der vergangenen Tage verdrängt.

Flughafen Frankfurt, dpa

Der Frankfurter Flughafen hat den normalen Betrieb wieder aufgenommen.

(Foto: Foto: ddp)

Unzählige Reisende wuseln durch die Terminals. Am Check-in gibt es Schlangen, vor den Aufzügen Staus. "Noch scheint alles wie sonst zu laufen", sagt ein Reisender, der nach Thailand möchte. "Der Flug startet nur eine Stunde später, so wie es aussieht."

Die bislang einmalige Sperrung des europäischen Luftraums wegen der Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull ist aufgehoben worden.

Das wohl größte und teuerste Verkehrschaos der Geschichte kann sich nach gut sechs Tagen langsam wieder auflösen. Die Deutsche Flugsicherung erlaubte ab Mittwochvormittag wieder flächendeckend Luftverkehr nach Instrumentenflugregeln.

"Die Wolke hat sich verzogen", sagte indes Axel Raab, der Sprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS) zur Nachrichtenagentur dpa. Die Entscheidung, wieder uneingeschränkt fliegen zu lassen, stützte sich demnach auf den Deutschen Wetterdienst (DWD). Es habe keine gefährliche Konzentration von Asche mehr nachgewiesen werden können. "Das war keine politische Entscheidung", sagte Raab.

Zuvor war das Fliegen lediglich mit Sondergenehmigungen oder im Sichtflug erlaubt gewesen. Es dauert aber wohl noch Tage, bis die Flugpläne ganz eingehalten werden können.

"Nicht in Ordnung"

Nach Angaben der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol sollten am Mittwoch etwa 75 Prozent der normalerweise 28.000 Flüge starten und landen. Auf dem Höhepunkt des Flugchaos am Sonntag waren gut 80 Prozent der Flüge ausgefallen.

Innerhalb von fast einer Woche wurde an Europas Himmel mehr als jeder zweite Flug gestrichen - etwa 100.000 Verbindungen fielen aus. Normalerweise hätte es in der Zeit 190.000 Flüge gegeben.

Die Lufthansa ging davon aus, am Mittwoch 500 von sonst 1800 Flügen anbieten zu können. Schon am Donnerstag sollte wieder das komplette Programm geflogen werden.

Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber kritisierte im ZDF erneut den DWD, der sich "sehr stark auf ein Prognosemodell aus England kapriziert" habe. Dieses Modell sei "nicht in Ordnung" gewesen, denn es war keine Wolke zu sehen.

Nach Angaben von Eurocontrol in Brüssel gab es in Europa am Mittwochvormittag nur noch im Norden Frankreichs, in einem kleinen Bereich zwischen Belgien und den Niederlanden sowie über Österreich Einschränkungen für den Flugverkehr. Desweiteren blieb der Luftraum über dem Norden Großbritanniens sowie in Schweden gesperrt.

Der volkswirtschaftliche Schaden für Deutschland wird sich nach Einschätzung der Bundesregierung "in Grenzen halten", sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).

Nach Schätzungen des Internationalen Flugverbandes IATA belaufen sich die Einnahmeausfälle der Airlines auf mindestens 1,7 Milliarden Dollar (1,26 Milliarden Euro).

Auch andere Unternehmen litten oder leiden unter den ausgesetzten Fliegern. Autohersteller Opel sieht sich am Donnerstag zu einer eintägigen Produktionspause im Stammwerk Rüsselsheim gezwungen, weil Teile fehlen. Bei Daimler und BMW hatte es schon zuvor Lieferengpässe gegeben.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) verteidigte sein umstrittenes Krisenmanagement. "Die Sicherheit steht an allererster Stelle", sagte Ramsauer in seiner Regierungserklärung im Bundestag. Dieser Grundsatz habe bei allen Entscheidungen gegolten. Sofort nach Bekanntwerden der heranziehenden Wolke habe er den Krisenstab bei der DFS zusammengerufen. Man habe auch die international zuständige Luftsicherheitsbehörde ICAO einbezogen.

In den kommenden Tagen wird die Vulkanasche über den Atlantik nach Nordnordost getrieben, weil sich der Wind dreht. "Mitteleuropa wird nicht mehr betroffen sein", sagte DWD-Wetterexperte Ansgar Engel in Offenbach.

Ein Sprecher des Meteorologischen Institutes in Reykjavik sagte, der Gletschervulkan schleudere nur noch wenig Asche in die Atmosphäre. Die Rauchsäule aus dem Vulkan unter dem Eyjafjalla-Gletscher erreiche nur noch maximal drei Kilometer Höhe.

Nach Einschätzung des Deutschen Reiseverbands warten noch 20.000 gestrandete deutsche Urlauber auf ihre Rückreise in die Heimat. Es sei davon auszugehen, dass die meisten von ihnen am Mittwochabend wieder daheim seien. In den vergangenen Tagen hatte der Verband die Rückreise von tausenden Deutschen koordiniert - mit Sondermaschinen, Schiffen, Bahn oder Bus.

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