Europäische Währungsunion:Schäuble hadert mit Vorsitz der Euro-Gruppe

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Annehmen oder verzichten? Die Frage, ob Wolfgang Schäuble den Vorsitz der Euro-Gruppe übernehmen soll, ist rein taktischer Natur. Sollte der Finanzminister tatsächlich Jean-Claude Juncker beerben, verlöre Berlin an Einfluss in der Währungsunion.

Cerstin Gammelin

Ambitioniert und chancenreich, in dieser komfortablen Position befindet sich derzeit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Schon an diesem Freitag könnte er die letzte Hürde nehmen, um demnächst Jean-Claude Juncker zu beerben - und den Vorsitz in der Euro-Gruppe zu übernehmen.

Soll er annehmen oder verzichten? Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist die Entscheidung für oder gegen den Vorsitz der Euro-Gruppe eine taktische Entscheidung.  (Foto: dpa)

Die Euro-Gruppe, das ist jenes mächtige Gremium, in dem die Finanzminister der 17 Euro-Länder zuletzt nächtelang über Haushaltszahlen, Defizite, Hilfspakete und Troika-Berichte debattierten und so komplizierte Konstrukte wie die Euro-Rettungsschirme aushandelten.

An diesem Freitag treffen sich die Schatzmeister der Euro-Länder in Kopenhagen auch, um über Personalien zu entscheiden - zumindest steht dies auf der Tagesordnung. Insgesamt vier Posten sind zu besetzen, einer davon dringlich. Jobs vergeben, das klingt endlich mal einfach, ist es aber nicht. Denn gemäß den Gesetzen des europäischen Proporz-Denkens bei der Vergabe einflussreicher Posten löst die Besetzung eines Amtes meist eine komplizierte Personalrochade aus. Schließlich muss ja die Balance zwischen den Euro-Ländern gewahrt bleiben.

Dass die Entscheidung gerade besonders kompliziert ist, liegt an der andauernden Krise. Diese führt dazu, dass das diplomatische Verteilungsverfahren von der schlichten Notwendigkeit überlagert wird, wirklich diejenigen auf die Posten zu setzen, die stark sind und hinter denen starke Länder stehen.

Für Spanien sieht es schlecht aus

Genau deshalb sieht es schlecht aus für Spanien. Das Land gilt im Euro-Klub als Wackelkandidat. Die Regierung in Madrid hatte praktisch keine Chance, für den Ende Mai aus dem Direktorium der Europäischen Zentralbank ausscheidenden José Manuel González Páramo einen Landsmann als Nachfolger durchzusetzen.

Stattdessen hat Yves Mersch, Präsident der Luxemburger Zentralbank, gute Chancen, diesen Platz einzunehmen. Doch die Euro-Länder zögern. Denn ist Mersch erst einmal gewählt, sind auch die anderen Posten praktisch vergeben. Und weil Spanien, Frankreich und Deutschland noch um die Ämter rangeln, stehen die Chancen, dass Mersch nun am Freitag gewählt wird, "höchstens 50 zu 50", sagt der Sprecher Junckers.

Hinter dem Zögern stehen folgende Überlegungen: Rückt der Luxemburger Mersch in das Direktorium der EZB, kann der Luxemburger Juncker definitiv nicht mehr die Euro-Gruppe leiten. Zwei Vertreter des kleinen Großherzogtums an der Spitze von einflussreichen Gremien der Währungsunion, das sei "nicht vorstellbar", heißt es in französischen Regierungskreisen. Und nicht nur dort.

Wenn Juncker geht, muss Schäuble ran

Wenn also Mersch kommt und Juncker geht, muss auch Schäuble ran. Der Bundesfinanzminister an der Spitze der Euro-Gruppe, das hört sich vor allem in Deutschland wie ein großer Erfolg an. Dahinter steht der Wunsch nach Sicherheit: Berlin könnte endlich noch mehr bestimmen, was in der Währungsunion passiert.

Doch dieser Gedanke greift zu kurz. Tatsächlich könnte Berlin deutlich weniger beeinflussen, wohin sich die Währungsgemeinschaft bewegt. Und das gleich mehrfach. Dazu lohnt ein Blick zurück. In den vergangenen zwei Jahren hat Schäuble maßgeblich den Kurs der Euro-Gruppe beeinflusst, obwohl er nicht deren Chef war.

Er sprach erstmals öffentlich über die Idee, private Banken und Versicherungen an den Kosten der Krise in Griechenland zu beteiligen, was schließlich auch passierte. Er zögerte ein ums andere Mal die Erhöhung der Rettungsschirme hinaus, und wenn alles so läuft wie geplant, werden die Euro-Finanzminister an diesem Freitag genau das beschließen, was Berlin vorgab.

Schäuble schrieb das Konzept für einen Europäischen Währungsfonds, der nun mit dem permanenten Rettungsfonds ESM Gestalt annimmt. Der deutsche Finanzminister gab den Spindoktor für den Euro-Klub. Übernimmt Schäuble nun offiziell den Vorsitz im Klub, wird aus dem deutschen Finanzminister der Interessenvertreter der Euro-Länder. Und der muss sich vor allem darum kümmern, die reichlich divergierenden Interessen der Klub-Mitglieder auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Deutscher Spin müsste hinter Euro-Klub-Interessen zurücktreten - schon aus diplomatischen Gründen. Berlin verlöre an Einfluss. Will Schäuble also weiter den Kurs bestimmen, muss er in der zweiten Reihe des Euro-Klubs bleiben.

Verzichtet Schäuble, behält Deutschland den Vorsitz beim ESM

Und es gibt noch einen zweiten Grund zum Verzicht. Schlägt Schäuble den Euro-Gruppen-Vorsitz aus, bleibt Deutschland ein anderer einflussreicher Posten erhalten: Der Vorsitz des Euro-Rettungsfonds ESM. Bisher ist geplant, dass Klaus Regling, ein erfahrener und international anerkannter Finanzexperte, den ESM aufbauen und leiten soll. Regling hat auch dem provisorischen Fonds EFSF seine Handschrift aufgedrückt. Er ist durch die Welt gereist, hat Investoren das komplizierte Konstrukt erklärt und dafür gesorgt, dass der Fonds international beste Kreditwürdigkeit genießt.

Dabei spielt es auch eine Rolle, dass Regling aus dem wirtschaftlich stärksten Euro-Land kommt. Und weil der ESM nun weitaus mächtiger wird als sein Vorgänger EFSF - er kann wie eine Superbank Geld und Kredite vergeben -, spricht aus deutscher Sicht vieles dafür, dessen Leitung in den eigenen Händen zu behalten.

Das wiederum geht nur, wenn Schäuble verzichtet: Wird der Bundesfinanzminister zum Chef der Euro-Gruppe befördert, muss Regling gehen. So verlangt es die europäische Arithmetik. Zwei Deutsche in den einflussreichsten Ämtern, das ist selbst in Zeiten der Krise zu viel.

Und dann gibt es einen dritten deutschen Anwärter auf einen der Posten. Thomas Mirow würde gern Präsident der Osteuropabank in London bleiben. Doch eine Chance hat er praktisch nicht.

© SZ vom 30.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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