Süddeutsche Zeitung

Europäische Verteidigung:Die Bank spielt nicht mit

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Das Geldhaus der EU-Staaten lehnt die Finanzierung von Rüstungsprojekten ab - gegen den Wunsch der Kommission.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Die Pläne der Europäischen Kommission, wonach die EU-Staaten deutlich mehr Geld für Verteidigung ausgeben sollen, stehen schon wieder infrage. Die Europäische Investitionsbank (EIB) erteilte den am Mittwoch präsentierten Vorschlägen eine klare Absage. "Der Plan der EU-Kommission, dass die EIB künftig Projekte zur Verteidigung Europas finanzieren soll, geht in die falsche Richtung", sagte EIB-Präsident Werner Hoyer der Süddeutschen Zeitung. "Eine Ausweitung des Mandats der Bank auf Verteidigungsprojekte kommt für uns nicht infrage."

Die Europäische Investitionsbank gehört den EU-Mitgliedstaaten und vergibt jährlich Kredite in Höhe von bis zu 90 Milliarden Euro. "Diese werden nicht vom Steuerzahler finanziert, sondern müssen zu hundert Prozent auf dem Kapitalmarkt refinanziert werden", erklärte Hoyer. Die Bank habe etliche Investoren, etwa Lebensversicherungen oder Investmentfonds, die überhaupt nicht in Anleihen investieren dürften, die mit Rüstung zu tun haben. "Wenn wir unser erfolgreiches Geschäftsmodell aufgeben und in die Finanzierung von Rüstung einsteigen, verlieren wir diese Investoren, und unsere Kredite für den Mittelstand und die Industrie würden teurer", sagte Hoyer.

Grundsätzlich hält es der EIB-Präsident für richtig, dass Europa in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik enger zusammenrücken will. Die EU-Bank sei auch bereit, im Rahmen ihres jetzigen Geschäftsmodells mehr für Forschung und Entwicklung zu unternehmen, um den Verteidigungssektor zu stärken; allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die geförderte Technologie dem sogenannten Dual-Use-Ansatz unterliege und im zivilen Bereich vermarktet werde. Die Förderung von Investitionen in Rüstungsprojekte kommt für die EIB demnach nicht infrage.

Die EU-Kommission sieht das entschieden anders. "Die Regeln müssen geändert werden", sagte EU-Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska. Es gehe darum, mittelständische Unternehmen im Verteidigungssektor zu unterstützen. Die geplante Ausweitung des EIB-Mandats sei, so Bieńkowska, eher eine Sache von Monaten als von Jahren. Auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Jyrki Katainen, sagte im Hinblick auf die Rolle der EIB, dass er den politischen Willen der Mitgliedstaaten erkenne, mehr im Verteidigungsbereich zu tun als bisher. In der EU fehle es an Effizienz bei Verteidigungsinvestitionen. Vor allem Frankreich dringt darauf, die Ausgaben dafür deutlich zu erhöhen.

"Die Kriterien des Stabilitätspakts dürfen nicht aufgeweicht werden", sagt EIB-Präsident Hoyer

Unter dem Eindruck des Sieges von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl und der verschärften Sicherheitslage in und um Europa will die EU-Kommission zu diesem Zweck einen neuen europäischen Verteidigungsfonds schaffen. In diesen sollen die EU-Staaten einzahlen, um künftig in gemeinsame Projekte zu investieren, etwa in Helikopter oder Drohnentechnologien. Allein für Forschung sollen bis 2020 insgesamt 90 Millionen Euro in den Fonds fließen; danach 500 Millionen Euro pro Jahr. Für gemeinsame Verteidigungsprojekte strebt die EU-Kommission ein Fondsvolumen von fünf Milliarden Euro pro Jahr an. Die Entscheidung, wie viel Geld in welche Techniken investiert wird, sollen weiter die Mitgliedsländer treffen.

Um den EU-Staaten einen besonderen Anreiz zu einer verstärkten Zusammenarbeit zu bieten, sollen Investitionen, die über den Verteidigungsfonds laufen, bei der Berechnung der Haushaltsdefizite der jeweiligen Länder bis zu einem gewissen Maß unberücksichtigt bleiben. Das wäre eine weitere Ausnahme bei den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts. EIB-Präsident Hoyer sieht dieses Vorhaben kritisch. Es sei zwar nicht seine Aufgabe, die Budgetpolitik der Mitgliedstaaten zu bewerten, sagte Hoyer, er halte den Ansatz der Kommission allerdings für bedenklich. "Die Kriterien des Pakts dürfen nicht aufgeweicht werden - sonst macht sich die Kommission als Hüterin der Verträge unglaubwürdig."

Die Vorschläge der Brüsseler Behörde sind Teil eines Plans zum Aufbau einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion, der beim EU-Gipfeltreffen Mitte Dezember beschlossen werden soll.

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SZ vom 01.12.2016
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