Süddeutsche Zeitung

EU-Kommission:Brüssel will den Verkauf von Aufenthaltstiteln eindämmen

  • Fast 100 000 Menschen haben sich bereits das Bleiberecht in der EU durch den Kauf von Aufenthaltstiteln und auch Staatsbürgerschaften gesichert.
  • Der EU-Kommission ist das Geschäft, obwohl es nicht illegal ist, ein Dorn im Auge.
  • Wie die Kommission dagegen vorgehen will, stellt sie am Mittwoch vor.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Das Angebot liest sich wie ein Werbezettel vom Markt der Möglichkeiten: Der österreichische Pass sei einer der "stärksten der Welt", mit ihm könne man "185 Ziele auf der ganzen Welt" visafrei bereisen. Der Pass von Malta wiederum biete Sicherheit, weil er eine höhere Lebensqualität verspricht und "das Recht, in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union zu leben, zu arbeiten und zu studieren". Und Zypern biete ein "attraktives Verhältnis zwischen dem Kapitaleinsatz der Teilnehmer und den Vorteilen, die sie dafür bekommen". Die Beratungsfirma Henley & Partners wirbt auf ihrer Homepage mit ihrer Expertise für "residence and citizenship planning", oder leichter: Die Firma hilft ihren Kunden, Bewohner oder sogar Staatsbürger anderer Länder zu werden. Der Preis dafür: ein mittleres oder größeres Investment im avisierten neuen Heimatstaat.

Solche Dienste sind nicht verboten, schließlich entscheidet jedes Land selbst, wem es einen Pass oder eine Aufenthaltsgenehmigung geben möchte - und was es dafür verlangt. Der Europäischen Kommission ist das Geschäft mit den sogenannten Goldenen Visa trotzdem ein Dorn im Auge, weil diese nicht nur wohlmeinenden Menschen die Tür zur EU öffnen. Darum hat die Behörde untersucht, wie verbreitet das Phänomen in Europa tatsächlich ist. An diesem Mittwoch will sie die Ergebnisse bekannt geben und auch, welche Schlussfolgerungen sie daraus zieht.

Ein europäischer Pass bietet Vorteile: das Recht, sich frei in der EU zu bewegen, und die Freiheit, sich niederzulassen, wo man will, und Zugang zum mächtigen europäischen Binnenmarkt. Für Geschäftsleute sind vor allem die letzten beiden Punkte attraktiv - aber genau diese Aspekte sind es auch, die nicht nur der Europäischen Kommission Bauchschmerzen bereiten.

Seit 2013 hat Zypern allein 4,8 Milliarden Euro an Investitionen angelockt

Programme, die Superreichen einen Wohnsitz oder gar die Staatsbürgerschaft in der EU vermitteln, bringen erhebliche Risiken mit sich, heißt es in einem Bericht, den das Europäische Parlament noch vor der Europawahl verabschieden will, "darunter eine Abwertung der EU-Staatsbürgerschaft und das Potenzial für Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung". Eine weitere Sorge: Jeder Tourist aus dem außereuropäischen Ausland, der in der EU Urlaub machen will, wird vor seiner Einreise auf Sicherheitsrisiken geprüft, etwa indem im Schengener Informationssystem abgefragt wird, ob er irgendwo zur Fahndung ausgeschrieben ist. Wer aber einen Pass oder eine Aufenthaltserlaubnis hat, wird nicht unbedingt auf diese Weise überprüft - unter welchen Bedingungen die einzelnen Staaten Pässe ausgeben, bleibt ihnen selbst überlassen.

Die Organisation Transparency International hat das Phänomen bereits 2018 untersucht und festgestellt, dass man in vielen europäischen Ländern die Staatsbürgerschaft oder die Aufenthaltserlaubnis kaufen kann wie ein Luxusgut. Die meisten Goldenen Visa verteilen demnach Spanien, Ungarn, Litauen und Portugal (Ungarn hat sein Programm inzwischen aber eingestellt, Bulgarien kündigte am Dienstag an, dasselbe zu tun). Auch Malta und Zypern verdienen viel Geld mit solchen Deals: Zypern allein seit 2013 etwa 4,8 Milliarden Euro an Investitionen, so Transparency International. Das Geschäft mit den Pässen sei nach der Finanz- und Wirtschaftskrise eine attraktive Möglichkeit gewesen, wieder Geld in die Staatskasse zu spülen.

Mehr als 6000 neue Bürger und beinahe 100 000 neue Einwohner habe die EU in den vergangenen zehn Jahren auf diese Weise hinzugewonnen - zu recht unterschiedlichen Preisen: In Griechenland ist das Bleiberecht schon für 250 000 Euro zu haben; ein zypriotischer Pass kann der Untersuchung zufolge bis zu zwei Millionen Euro kosten. Eines aber haben alle Angebote gemeinsam: Wer den Pass eines europäischen Landes bekommt, wird automatisch auch ein Bürger der Europäischen Union.

Selbst Baschar al-Assads Cousin konnte EU-Bürger werden, zumindest kurzfristig

Transparency International kritisiert darum vor allem, dass es keine gemeinsamen Standards für die Vergabe von Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen gibt. Wer in einem Land mit seinem Antrag scheitere, könne in einem anderen erfolgreich sein. Die Anti-Geldwäsche-Expertin Laure Brillaud, die die Studie für Transparency International verfasst hat, nennt das Beispiel von Rami Makhlouf, einem Cousin des syrischen Diktators Baschar al-Assad: Nachdem ein Antrag auf Einbürgerung in Österreich gescheitert war, wurde er 2010 zypriotischer Staatsbürger, jedenfalls kurzzeitig: Nachdem Makhlouf 2011 von der EU mit Sanktionen belegt wurde, weil er das Regime seines Cousins mit finanziert hatte, wurde ihm die Staatsbürgerschaft wieder entzogen.

Brillaud kritisiert auch, dass vor der Vergabe solch gekaufter Visa oft keine ausreichenden Checks vorgenommen würden, um herauszufinden, woher das als Gegenleistung investierte Geld stammt: "Banken und Firmen müssen sich an bestimmte Grundsätze halten, um Geldwäsche zu erschweren oder ganz zu verhindern", entsprechend der im April verabschiedeten Anti-Geldwäsche-Verordnung der EU. Für die nationalen Einwanderungsbehörden würden solche Grundsätze aber nicht gelten. Ein dritter Kritikpunkt ist die mangelnde Aufsicht über die Vermittler solcher Angebote: "Die Agenturen werden nicht reguliert, das Geschäft mit den Visa wird sich selbst überlassen", sagt Brillaud.

Weil das Staatsbürgerschaftsrecht Sache der Mitgliedstaaten ist, sind die Möglichkeiten der Europäischen Kommission denkbar gering, selbst aktiv zu werden. Eine der Empfehlungen, die die Kommission an diesem Mittwoch vorstellen wird, ist darum die Einrichtung einer gemeinsamen Expertengruppe, in der sich Vertreter der Mitgliedstaaten darüber austauschen sollen, wem sie unter welchen Voraussetzungen eine Aufenthaltsgenehmigung oder gar einen Pass ausstellen.

Sollte es dabei bleiben, findet das Laure Brillaud von Transparency International nicht genug: "Die Probleme liegen auf der Hand, die Lösungen auch." Und sei es zunächst auch nur mehr Information und Transparenz. Sie erwarte jetzt konkrete Schritte, "statt erst noch mal weiter darüber zu reden", sagt sie. "Aber offenbar fehlt dazu der politische Wille."

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SZ vom 23.01.2019/bix
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