Europäische Union:So viel Einigkeit

Vertreter der EU-27 verteidigen geschlossen den Brexit-Entwurf. Chefunterhändler Michel Barnier stellt klar: Der Kompromiss sei fair.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Michel Barnier zeigt sich besorgt. Hoffentlich gehe es allen gut nach den "hektischen Tagen" und kurzen Nächten, sagt er zu Beginn einer weiteren Brexit-Woche zu den Journalisten. Soeben hat der Chefunterhändler der EU mit den Außen- und Europaministern über den Entwurf des Austrittsabkommens mit Großbritannien diskutiert, das am Sonntag auf einem Sondergipfel bestätigt werden soll. Nun wiederholt Barnier die Position der EU-27: Der Kompromiss ist fair, eine bessere Lösung unmöglich, Aufschnüren geht nicht.

Bereits am Sonntag hatte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz als EU-Ratspräsident auf die schrillen Rufe aus London reagiert und betont: "Nachverhandlungen wird es nicht geben." Ähnlich klingt dies bei Außenminister Heiko Maas (SPD), der davor warnt, die "Chance nicht ungenutzt vorbeiziehen zu lassen".

Bisher hält die von Barnier mit viel Geschick bewahrte Einigkeit der verbleibenden EU-Mitglieder weitgehend. Den größten Klärungsbedarf meldete Außenminister Josep Borrell für Spanien an: Es geht um das britische Überseegebiet Gibraltar an seiner Südspitze. Ob Madrid wirklich ein Veto einlegen würde, ist unter EU-Diplomaten umstritten; das Problem sei mit einer Solidaritätsbekundung der Partner zu lösen, hofft einer. Laut Barnier müssen die EU-27 noch eine Zahl in den Austrittsvertrag einfügen: Es soll die Möglichkeit geben, dass beide Seiten einvernehmlich die am 30. März 2019 beginnende Transitionsphase, in der das Vereinigte Königreich im Binnenmarkt und in der Zollunion bleibt, über 2020 hinaus verlängern.

Medienberichten zufolge möchte der Franzose den Übergang maximal bis Ende 2022 ausdehnen, um mehr als nur 21 Monate Zeit für die Ausarbeitung eines Freihandelsvertrags zu haben - üblicherweise dauert so etwas mehrere Jahre. Die britische Premierministerin Theresa May liegt nicht weit davon entfernt. Sie sagt zwar seit Langem, dass eine solche Verlängerung unnötig sei, aber hat nun erklärt, dass der Brexit bis zur nächsten Parlamentswahl im Mai 2022 endgültig vollzogen sein müsse.

Wie sehr die Europäer darauf achten, May das Leben nicht weiter zu erschweren, ist seit Tagen spürbar. Barnier übernimmt sogar Brexiteer-Formulierungen wie "die Kontrolle zurückgewinnen" und meidet zugleich knifflige Themen. Die Frage, wie viel London die Verlängerung der Transitionsphase kosten würde, nennt er "verfrüht": Der genaue Betrag müsste ausgehandelt werden, aber mehrere Milliarden pro Jahr wären sicher zu überweisen.

Lieber spricht Barnier über die politische Erklärung, die das künftige Verhältnis von EU zu Großbritannien rechtlich unverbindlich regelt, und daher den Politikern mehr Spielraum gibt - etwa in der Gibraltar-Frage. Deren Text wird immer länger und umfasst nun schon ein gutes Dutzend Seiten. Auch hier gilt: Eine zu forsche Formulierung könnte jenseits des Kanals für Protest sorgen. Mit Spannung wird nun verfolgt, wann May anreist, um den Text mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu diskutieren. Laut Mays Sprecher hängt dies "vom Fortgang der Gespräche" ab, während in Brüssel der Mittwoch als Termin kursiert.

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