Europäische Union:Kommission knickt ein

Die Parlamente der Mitgliedsstaaten sollen nun doch über das Handelsabkommen mit Kanada abstimmen dürfen. Das hat auch Auswirkungen auf die Verhandlungen über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP.

Von Thomas Kirchner, Straßburg

Dem fertig ausgehandelten Handelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta) sollen nun doch auch die Parlamente der Mitgliedstaaten zustimmen, bevor es in Kraft treten kann. Das empfahl am Dienstag überraschend die Europäische Kommission, deren Präsident Jean-Claude Juncker vor einer Woche genau das Gegenteil befürwortet hatte. Junckers Ankündigung hatte heftigen Protest aus den Mitgliedstaaten hervorgerufen: Gerade nach dem Warnschuss durch das britische Referendum dürfe man die überwiegend Ceta-kritische Öffentlichkeit nicht ausschließen. Der Protest hat die Brüsseler Behörde offenbar zur Umkehr bewogen. Für Ceta könnte dies das Ende bedeuten, was auch das geplante Abkommen mit den USA (TTIP) in Frage stellen würde.

Über die Entscheidung wurde dem Vernehmen nach in der Kommission kontrovers diskutiert. Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmstöm erklärte, man sei, gestützt auf ein Gutachten des Rechtsdiensts, noch immer der Ansicht, dass es sich um eine reine EU-Angelegenheit handle. Dennoch wolle man Ceta, auch angesichts der unterschiedlichen Meinungen in den Mitgliedstaaten, als "gemischtes Abkommen" ansehen. Auf diese Weise könne man "schnell vorangehen" und Teile des Abkommens provisorisch in Kraft treten lassen, sobald die Brüsseler Institutionen, also der Rat der Mitgliedstaaten und das Europaparlament, zugestimmt hätten.

Ein solches Vorgehen ist bei Handelsabkommen üblich. Die Kommission setzt aber offenbar darauf, dass die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente noch juristisch gestoppt werden könnte. Laut Malmström erhofft sich die Behörde mehr Klarheit vom Europäischen Gerichtshof, der Ende des Jahres über ein Handelsabkommen der EU mit Singapur entscheidet und dabei wohl auch grundsätzlich zur Ratifizierung solcher Abkommen Stellung beziehen wird. Eventuell könnten sich die nationalen Abstimmungen dann erübrigen, sagte Malmström.

TTIP CETA protest

Gegner der geplanten Handelsabkommen der EU mit den USA und Kanada protestieren in Brüssel.

(Foto: Olivier Hoslet/dpa)

Für den Handel ist die EU laut den Verträgen allein und ausschließlich zuständig. Bei "reinen" Handelsabkommen würde es daher reichen, wenn die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit sowie anschließend das Europäische Parlament zustimmen. Wird in einem Abkommen aber noch anderes geregelt - bei Ceta geht es auch um Arbeitsstandards, Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung -, müssen die nationalen sowie mehrere regionale Parlamente gefragt werden. Einige Kammern haben ihre Ablehnung schon deutlich gemacht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angekündigt, auf jeden Fall den Bundestag mit der Entscheidung zu befassen. Dort ist dem Abkommen eine Mehrheit sicher. Nach Ansicht von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) müsste daneben aber auch der Bundesrat zustimmen. Damit würde eine deutsche Zustimmung unwahrscheinlich, da in zehn der 16 Bundesländer die Grünen mitregieren, die Ceta ablehnen. Gabriel begrüßte die Entscheidung der Kommission am Dienstag. Gleichzeitig verteidigte er das Abkommen als "gut und wichtig". Den ursprünglichen Plan der EU-Kommission hatte der Minister als "unglaublich töricht" bezeichnet. Wenn die Kommission auf diese Weise bei Ceta vorgehe, sei auch TTIP "tot".

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