EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sieht das Flüchtlingsabkommen mit Ankara nicht in Gefahr. "Die Flüchtlingswelle ist gestoppt", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Das sollte Europa auch selbstbewusst sagen. Heute geht es darum, dass wir der Türkei helfen, die finanzielle Last durch drei Millionen Flüchtlinge mit zu schultern."
Hahn, der für die Beitrittsverhandlungen mit Ankara zuständig ist, äußerte Verständnis für Zweifel am Sinn weiterer Gespräche: "Das ist eine legitime Frage, die ich mir sehr oft stelle, um nicht zu sagen: täglich", sagte er. "Aber ob mir das emotional und persönlich nun passt oder nicht: Ich bin gehalten, zu schauen, dass das, was wir vereinbart haben, auch umgesetzt wird." Die Türkei müsse jetzt beweisen, dass sie nach dem Putschversuch rechtsstaatlich mit den Verdächtigen umgehe. "Und wenn hier nur der leiseste Zweifel besteht, dass das nicht korrekt ist, sind Konsequenzen unabdingbar."
Hahn bezweifelt, dass noch Syrer von der Türkei nach Europa kommen
Der Österreicher verteidigte auch die Entscheidung, die Frage des Beitritts mit dem Flüchtlingsabkommen zu verknüpfen. "Es geht um den Versuch", sagte er. "Hätten wir ihn nicht unternommen, hätten wir gesagt: Dieses Land hat keine Chance auf Demokratie."
Der Kommissar bezweifelte, dass überhaupt noch Syrer von der Türkei nach Europa wollten und stellte damit indirekt das humanitäre Aufnahmeprogramm in Frage, das die EU der Türkei versprochen hat. Er selbst habe bei Besuchen in Ostanatolien festgestellt, dass die Hälfte der Syrer in der Türkei bleiben und die andere Hälfte nach Hause zurückkehren wolle.
