Europäische Union:Wie die EU Albanien und Nordmazedonien enttäuschte

Europäische Union: Vergeblich in Vorleistung gegangen: Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev (li. Mitte) bei EU-Ratspräsident Donald Tusk (re. Mitte) in Brüssel.

Vergeblich in Vorleistung gegangen: Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev (li. Mitte) bei EU-Ratspräsident Donald Tusk (re. Mitte) in Brüssel.

(Foto: Virginia Mayo/AFP)
  • Wegen eines Vetos des französischen Präsidenten Macron verweigert die EU Nordmazedonien und Albanien die Aufnahme von Beitrittsgesprächen.
  • Der scheidende EU-Kommissionspräsident Juncker spricht von "einem historischen Fehler".
  • Alle sechs beitrittswilligen Staaten des Westbalkans werden durch die Entscheidung zurückgeworfen.

Von Peter Münch, Wien

Zuerst die gute Nachricht: Der Reiseführerverlag Lonely Planet hat Nordmazedonien bei seiner jährlichen Empfehlung für die besten Reiseziele der Welt gerade auf den dritten Platz gesetzt, hinter Bhutan und England. Gerühmt wird vor allem die Schönheit der Natur.

Doch diese feine Auszeichnung, die Perspektiven für den Tourismus eröffnet, wird kaum den Schmerz und die Wut über die schlechte Nachricht lindern, die das Land zuvor auf dem Brüsseler EU-Gipfel ereilt hat. Wegen eines Vetos des französischen Präsidenten Emmanuel Macron verweigert die Europäische Union Nordmazedonien ebenso wie Albanien die Aufnahme von Beitrittsgesprächen. Dies ist eindeutig ein Wortbruch, und das ist schlimm genug. Schlimmer aber noch ist, dass diese politische Kurzsichtigkeit weitreichende Folgen haben könnte - nicht nur für das kleine und landschaftlich ach so schöne Nordmazedonien, sondern für den gesamten Balkan und die Stabilität in Europa.

"Ein historischer Fehler" - das ist die durchaus zutreffende Wortwahl, auf die sich viele Kritiker dieses Vorgangs geeinigt haben. Jean-Claude Juncker hat das so gesagt, der scheidende EU-Kommissionspräsident. Der bisherige Erweiterungskommissar Johannes Hahn nennt die Auswirkungen "katastrophal", und auch aus dem EU-Parlament dröhnt lauter Protest. Die erste Konsequenz hat bereits Nordmazedoniens westorientierter Regierungschef Zoran Zaev gezogen, der sich über eine "große Ungerechtigkeit" echauffierte. Er hat nach der Brüsseler Abfuhr eine Neuwahl für den 12. April angesetzt, bei der er sich nun gegen die Nationalisten im Land behaupten muss.

Die Enttäuschung in Nordmazedonien ist leicht nachvollziehbar, weil das Land alle von der EU geforderten Vorleistungen erbracht hat. Der seit 2017 regierende Sozialdemokrat Zaev hat innenpolitisch nicht nur Reformen angestoßen, sondern gegen massiven Widerstand der Opposition sogar eine Änderung des Landesnamens von Mazedonien in Nordmazedonien durchgesetzt. Dies hatte das EU-Mitglied Griechenland verlangt zur Abgrenzung von der griechischen Region Makedonien. Auch in Albanien hat die Regierung, wie von der EU verlangt, eine Justizreform auf den Weg gebracht.

Frankreich begründet seine Blockade, die im Fall Albaniens auch von Dänemark und den Niederlanden unterstützt wurde, dennoch damit, dass die Reformen nicht weit genug gediehen seien. Niemand wird leugnen, dass es tatsächlich noch viele Defizite gibt. Doch zu entscheiden war zum jetzigen Zeitpunkt wohlgemerkt nicht über eine EU-Aufnahme, sondern allein über den Beginn langwieriger Beitrittsverhandlungen. Die EU-Kommission hat beiden Ländern längst bescheinigt, dafür die Bedingungen erfüllt zu haben.

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