Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Ermutigung aus Brüssel

Nach langem Zögern eröffnet die EU Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien. Besonders in Tirana sind noch viele Reformen nötig.

Von Karoline Meta Beisel und Peter Münch, Wien/München

Mit Erleichterung haben die Regierungen in Nordmazedonien und Albanien auf die Entscheidung der Europäischen Union reagiert, nach langem Zögern nun den Weg zu Beitrittsverhandlungen zu öffnen. Der nordmazedonische Premier Zoran Zaev sprach von einem "historischen Moment für unser Volk in diesen schweren Zeiten". Albaniens Präsident Ilir Meta dankte den EU-Mitgliedern für "diese ermutigende Entscheidung".

Besonders in Albanien wird es für Regierungschef Edi Rama von der Sozialistischen Partei jedoch nun darum gehen, noch vor den ersten Beitrittsgesprächen eine Reihe von Bedingungen zu erfüllen, die dem Land von der EU gestellt werden. Dabei geht es unter anderem um den Abschluss einer seit vielen Jahren diskutierten Wahlrechtsreform. Ebenso wie die EU hatten auch die OSZE und die Venedig-Kommission des Europarats von der Regierung in Tirana Maßnahmen gegen die Politisierung der Wahlbehörde sowie die Überprüfbarkeit der Parteien- und Wahlkampffinanzierung gefordert. Nach der Parlamentswahl 2017 hatte eine von der EU finanzierte Studie festgestellt, dass rund 20 Prozent der albanischen Wähler im Gegenzug für ihre Stimmen Geld oder Sachgüter angeboten bekommen hatten. Die Reform stehe nun, so heißt es, kurz vor dem Abschluss.

"Bedeutsame Fortschritte" waren Albanien von der EU-Kommission auch schon bei der Justizreform und beim Kampf gegen die Korruption bescheinigt worden. Ein früherer Innenminister sowie mehrere Richter und zahlreiche Beamte wurden bereits wegen Korruption und Amtsmissbrauchs verurteilt. Diese Anstrengungen muss die Regierung nun ebenso wie den Kampf gegen die organisierte Kriminalität noch "weiter verstärken".

Wegen des Corona-Virus mussten die EU-Mitgliedsländer die politische Einigung vom Dienstag in einem schriftlichen Verfahren noch einmal bestätigen. Nachdem das am Mittwoch geschehen war, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, damit beginne der Weg "hin zu einer größeren und stärkeren Europäischen Union". Beide Länder hätten getan, was die EU von ihnen verlangt habe. Die nun getroffene Entscheidung sei im "geostrategischen Interesse" der EU - die Bemerkung dürfte darauf abzielen, dass China und Russland versuchen, auf dem Westbalkan Einfluss zu gewinnen. Bereits am Abend zuvor hatte der Außenbeauftragte der EU-Kommission, Josep Borrell, die Länder gelobt, die "entscheidende Reformen" angestrengt hätten, um an diesen Punkt zu gelangen. "Gerne teile ich meine Freude mit meinen Freunden im Westbalkan!", schrieb er auf Twitter. Auch der Ratspräsident Charles Michel gratulierte auf diesem Weg: "Wir haben eine gemeinsame Zukunft."

In Nordmazedonien bedeutet das Signal aus Brüssel Rückenstärkung für den sozialdemokratischen Regierungschef Zaev. Er war ein großes Risiko eingegangen bei der Lösung des Namensstreits mit Griechenland, was die entscheidende Bedingung für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen war. Von der nationalkonservativen Opposition in Skopje war ihm deshalb Verrat vorgeworfen worden. Zaev hatte sich dann von der EU im Stich gelassen gefühlt, als im vorigen Herbst vor allem auf Drängen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der Beitrittsprozess blockiert wurde. Er reagierte darauf mit Rücktritt und der Ausrufung von Neuwahlen. In diese Wahl könnte er nun gestärkt gehen. Allerdings wurde der ursprünglich vorgesehene Termin am 12. April wegen der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben.

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SZ vom 26.03.2020
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