Süddeutsche Zeitung

Pipeline Nord Stream: Renzi auf EU-Gipfel: "Die deutsche Dominanz stoppen"

  • Viele EU-Staaten sind strikt gegen die geplante Energieallianz zwischen Russland und Deutschland.
  • Auch EU-Ratspräsident Tusk kritisierte die geplante Gaspipeline North Stream und kündigte eine rechtliche Prüfung durch die EU-Kommission an.
  • Italiens Premier Renzi sagte, dass er sich von Merkel übergangen fühle.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Ganz am Ende, als der Gipfel vorbei ist, wird Donald Tusk noch einmal ziemlich deutlich. Der EU-Ratspräsident versucht erst gar nicht, die Debatte der Staats- und Regierungschefs zu beschönigen. Nein, die Diskussionen seien hart und sehr emotional gewesen bei diesem Thema. Und damit meint er ausnahmsweise mal nicht die Flüchtlingskrise, sondern ein geplantes Projekt in der Ostsee: Nord Stream 2, jene Pipeline, die Gas von Russland nach Deutschland liefern soll.

Vor allem die Staaten Osteuropas sind strikt gegen die geplante Energieallianz zwischen Moskau und Berlin. Aber nicht nur sie. Es ist der italienische Premierminister, der die Bundeskanzlerin in dieser Frage heftig angreift. Matteo Renzi also, so berichtet es ein EU-Diplomat, sagt an diesem Freitagvormittag: "Man kann nicht sagen, dass Sie Europa Blut spenden, liebe Angela." Man könne, so Renzi, nicht auf der einen Seite für Sanktionen gegen Russland sein und gleichzeitig mit Moskau Geschäfte machen.

Nach dem Gipfel steht Renzi im italienischen Pressesaal und sagt: "Ich verstehe nicht, warum wir die Sanktionen verlängern wollen, ohne überhaupt darüber zu reden." Und deshalb hatte Renzi bereits vor dem Gipfel darauf gedrungen, sich dieser Frage in Brüssel anzunehmen. Im Grunde gab es dabei aber gar nichts zu entscheiden. Bereits im März hatten sich die Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, dass die Aufhebung der Strafen "eindeutig an die vollständige Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk geknüpft sein sollte". Weil die Vereinbarungen, die zum Frieden in der Ostukraine führen sollen, aber bisher nicht umgesetzt sind, galt es als Formsache, die Sanktionen um ein halbes Jahr zu verlängern. Erwartungsgemäß begann am Freitagnachmittag auch das offizielle Beschlussverfahren, am Montag soll es abgeschlossen sein.

Merkel lässt sich nicht aus der Reserve locken

Als Merkel nach dem Gipfel auf die Attacken aus Rom angesprochen wird, sagt sie nur, dass es ganz normal sei, unterschiedliche Positionen auszutauschen. Dazu seien die Europäischen Räte nun einmal da. Ja, man habe über Nord Stream gesprochen. Und ja, die Italiener hätten sich damals gerne an South Stream beteiligt, jenem Pipeline-Plan, der von der EU wieder verworfen wurde. Am Freitag verhindert die Bundeskanzlerin jedenfalls eine von ost- und mitteleuropäischen Staaten unterstützte Erklärung. Diese sollte deutlich machen, dass Nord Stream 2 unvereinbar sei mit den Zielen europäischer Energiepolitik.

Tusk, der Ratspräsident, hält seine Kritik an Merkel bei der Pressekonferenz nicht zurück: "Aus meiner Sicht trägt Nord Stream nicht zur Diversifizierung (der Energieversorgung) bei." Und fügt fast drohend hinzu: "Wir werden europäisches Recht knallhart verteidigen." Nun liegt es an der EU-Kommission, die juristischen Fragen zu prüfen.

Renzi lässt es sich bei diesem Gipfel nicht nehmen, Merkel auch noch in einer anderen Frage zu provozieren. Warum sie gegen eine EU-Einlagensicherung sei, wolle er wissen. Merkel aber lässt sich nicht aus der Reserve locken. Deutschlands Position sei klar, man wolle keine Vergemeinschaftung der Spareinlagen. Punkt.

Immerhin eines wollen alle 28 EU-Staaten: einen schnellen Abschluss der TTIP-Verhandlungen. Das transatlantische Freihandelsabkommen soll noch während der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama vereinbart werden. So viel Einigkeit war selten in diesem Krisenjahr. Und so war es erneut Matteo Renzi, der ein Gefühl vieler EU-Staaten bereits am Donnerstag vor dem gemeinsamen Abendessen offen aussprach: "Wir müssen die deutsche Dominanz stoppen."

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SZ vom 19.12.2015/dayk
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