Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Barroso in Not

In einem eigenen Konjunkturpaket will EU-Kommissionspräsident Barroso zugleich Steuern senken - doch sein geplantes EU-Hilfspaket könnte ihn in die Knie zwingen.

Cerstin Gammelin

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso könnte an diesem Mittwoch eine der größten Niederlagen seiner bisherigen Amtszeit kassieren, wenn er das unter seiner Regie entwickelte europäische Konjunkturpaket vorstellt.

Es soll Verbraucher zum Konsumieren und Unternehmer zum Forschen, Entwickeln und Produzieren anregen, wird von vielen nationalen Regierungen aber schlicht ignoriert. Noch bevor Barroso seine Ideen überhaupt offiziell präsentiert hat, macht jedes EU-Land genau das, was es selbst für richtig hält. Europäisches Programm hin oder her.

Viele Länder, darunter Deutschland, Frankreich oder Großbritannien, haben längst nationale Konjunkturpakete geschnürt - und verkündet. Damit ist das erklärte Anliegen Barrosos, aus Brüssel vor allem die nationalen Wirtschaftshilfen zu koordinieren, bereits hinfällig.

Schon das ist eine herbe Niederlage für den Kommissionspräsidenten. Diese ohnehin unerquickliche Situation könnte sich noch dramatisch verschärfen, wenn Barroso tatsächlich empfiehlt, was ihm seine Spezialisten in den Entwurf des EU-Konjunkturpakets hineingeschrieben haben: massiv die Steuern zu senken.

Dieser Vorschlag ist anmaßend. Allein Großbritannien hat angekündigt, die Umsatzsteuer flächendeckend (und zeitlich begrenzt) zu senken. Frankreich und Deutschland lehnen eine Senkung ab, und zwar mit einem überzeugenden Argument: Es gibt keinen Beweis dafür, dass Verbraucher in Krisenzeiten durch geringere Steuern zum Kaufen verführt werden.

Sicher ist nur, dass der Staat weniger Geld einnehmen wird. Da Barroso aber zugleich die Länder auffordert, notleidende Unternehmen zu unterstützen, wird er in Erklärungsnot geraten.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2008/cag
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